Bundespräsident Steinmeier: "Ein Viertel der Bevölkerung fühlt sich einsam"
Am Sonntag fand das Benefizkonzert des Bundespräsidenten im Kuppelsaal Hannover statt. Stanislav Kochanovsky dirigierte als Chefdirigent die NDR Radiophilharmonie. Ein Bericht der Veranstaltung.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier war mit seinem Benefizkonzert zu Gast in Hannover, zu Gunsten von Projekten, die die Einsamkeit älterer Menschen lindern. Auf dem Programm standen Lieder von Wolf und Mahler sowie Berlioz' "Symphonie fantastique".
Gemeinsames Singen von Jung und Alt kann der Einsamkeit im Alter entgegenwirken. Zaghaft und dann verhalten anschwellend stimmt das Publikum - darunter etliche junge Menschen - im gut gefüllten Kuppelsaal in Hannover zu Beginn gemeinsam die Nationalhymne an. Dann folgt "Wer sich der Einsamkeit ergibt" - das erste der drei von Hugo Wolf vertonten Harfenspieler-Lieder.
Bariton Christian Gerhaher singt Harfenspieler-Lied
Der romantischen Tondichtung dreier Gedichte aus Goethes "Wilhelm Meisters Lehrjahre" verleiht Christian Gerhaher mit seinem warmen Bariton eine große Innerlichkeit. Die Seelenpein des Harfenspielers zeige sich in einer Figur, die sich nicht weiterentwickelt, sagt der Sänger. Die Grausamkeit, die der Vereinsamte erlebt, seinem Schicksal nicht entkommen zu können, vermöge die Musik aufzubrechen: "Die Kunst und die Musik haben die Fähigkeit, Trost zu spenden - wie das häufig als grundsätzliche Eigenschaft für Musik gefordert wird." Er finde, dass die Künste und die Musik einen durch ihre Direktheit und ihre offene Ehrlichkeit verletzten - "und dann erst können sie einen trösten."
Erlöse der Konzertreihe für kulturelle und soziale Zwecke
1988 begründete Richard von Weizäcker die Reihe "Benefizkonzert des Bundespräsidenten". Sie ist heute jedes Jahr in einem anderen Bundesland zu Gast, ihr Erlös kommt kulturellen oder sozialen Zwecken zugute. Dass das Konzert der NDR Radiophilharmonie in diesem Jahr auf die Einsamkeit von Älteren aufmerksam macht, hat nicht nur mit dieser Altersgruppe zu tun, sagt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. "Es ist ein persönliches Schicksal und inzwischen wissen wir - nicht nur bei älteren Menschen. Sondern Einsamkeit tritt oft dann auf, wenn Menschen in einem Übergang sind. Aber es ist in der Tat auch ein gesellschaftliches Phänomen, wenn - wie im Augenblick - Umfragen zeigen, ein Drittel, ein Viertel der Bevölkerung sich einsam fühlen, dann fehlt so etwas wie Zuversicht und Neugier in der Gesellschaft. Das ist nicht gut für unsere Zukunft."
Was kann die Politik gegen Einsamkeit tun? Stephan Weil, Ministerpräsident von Niedersachsen, erklärt, dass ein Ministerium gegen Einsamkeit nach britischem Vorbild nicht die Lösung sein könne. Das Geld dieses Benefizkonzerts gehe an den Malteser Hilfsdienst, weil er Einsamkeit nicht von oben herab, sondern vor Ort, durch zwischenmenschliche Kontakte auflöse.
Rikscha-Service: Nette Begegnungen für ältere Menschen
Etwa mit einem Rikscha-Programm, erklärt Christoph Mock vom Malteser Hilfsdienst. Darin engagierten sich Ehrenamtliche als Rikscha-Pilotinnen und -piloten: "Die haben Freude am Radfahren und sind bereit, Menschen zu Hause abzuholen, die sich natürlich bei uns melden müssen." Diese würden in Hannover um den Maschsee oder in der Eilenriede gefahren, so Mock. "Ganz Deutschland hat Fahrradrikschen - und es geht um das Gespräch, weil man sich, wenn man sich die Landschaft anschaut, austauschen, auch mal über die Sorgen reden kann."
Es sind die romantischen Lieder wie auch "Urlicht" aus "Des Knaben Wunderhorn", vertont von Gustav Mahler, die einen bei diesem Benefizkonzert des Bundespräsidenten in Hannover am stärksten in ihren den Bann ziehen - flankiert von Hector Berlioz' kraftvoll gespielter "Symphonie fantastique", für die die NDR Radiophilharmonie am Ende mit kräftigem Beifall gefeiert wird.