Noura Dirani will St. Annen zu einem Ort der Begegnung machen
Noura Dirani leitet seit Oktober 2022 die Kunsthalle St. Annen in Lübeck. Die 39-jährige Kunsthistorikerin möchte bestehende Konzepte kritisch hinterfragen und zuhören, was die Menschen bewegt.
Mit einer geballten Portion Tatendrang und Lust an frischen Ideen haucht Noura Dirani der Kunsthalle St. Annen neues Leben ein. Die neue Leiterin bringt einen "frischen Wind" - finden auch Ihre Kolleginnen und Kollegen. "Wir arbeiten in einem Bereich, der unglaublich viel Freude macht. Es geht immer um Kunst und Kultur, es geht darum, für Menschen etwas zu gestalten. Für mich ist wichtig, dass alle, die hier an dem Haus arbeiten, Spaß haben an dem was sie tun", betont Dirani. "Ich möchte ein Klima schaffen, wo man sich vertrauen kann. Dann kommt das Lachen von allein."
Dirani will den eurozentrischen Blick durchbrechen
Diranis Spezialgebiet ist die globale Kunstgeschichte. Eine Fachrichtung, die verstärkt darauf schaut, die klassische Kunstgeschichtsschreibung neu zu beleuchten, zu hinterfragen, erweiterte Perspektiven sichtbar zu machen. Was wurde bisher ausgeschlossen aus der Geschichtsschreibung, und warum? Noura Dirani will den "eurozentrischen Blick" durchbrechen:
"Das erscheint mir heute besonders wichtig", sagt die Kuratorin und erklärt: "Viele Menschen, die hier leben, haben transnationale Biografien. Es geht darum, über Kunst und Kultur Brücken zu schlagen. Das kann die Kunst. Dadurch kann es auch gelingen, ein größeres Spektrum an Publikum in das Museum einzuladen. Es ist immer die Frage, wer repräsentiert ist und wer nicht. Wer kann seine Geschichten wiederfinden, was ist vergessen worden, was wird nicht erzählt?"
Das eigene Konzept kritisch hinterfragen
Diese Frage beschäftigt die Forschung übrigens schon seit den 1990er-Jahren - der Weg von den Universitäten ins Museum dauere jedoch länger, sagt Noura Dirani. Doch bereits seit einigen Jahrzehnten gibt es bedeutende Ausstellungsprojekte, die genau dies tun: ihre Konzeption kritisch hinterfragen.
"Das Centre Pompidou beispielsweise hat viel dazu gemacht. 'Multiple Modernities' hieß eine Ausstellung. Es gab vor einigen Jahren Großprojekte in Deutschland, 'Museum globale', da haben viele Museen wie die Kunstsammlung NRW und der Hamburger Bahnhof in Berlin mitgemacht, die eigene Sammlung kritisch zu reflektieren. Ein Verständnis, dass in den letzten 20 bis 30 Jahren verstärkt aufkommt und zeitgemäß ist", so Dirani.
St. Annen zu einem Ort des Dialogs machen
Noura Dirani möchte das Museum St. Annen in Lübeck zu einem Ort des Dialogs machen. Ein Mehrgenerationenhaus, wo Menschen zusammenkommen, die im Alltag vielleicht wenig Schnittstellen haben. Dirani will wissen, was die Lebenswelt der Besucherinnen und Besucher aktuell ausmacht: "Was bewegt die Menschen momentan? Das sind oft brisante Themen der Zeit. Wie aktuell ein Erdbeben in der Türkei und Syrien, aber auch Krieg, Frieden, die Klimakrise. Das sind die Themen, die vor allem die heranwachsende Generation bewegt. Sie wollen darüber sprechen. Ich glaube, wir müssen als Museumschaffende auch Lernende werden und zuhören, was die Menschen einfordern. Und dann überlegen, ob man anhand dieser Themen neue Programme entwickeln kann", erklärt Dirani ihre Herangehensweise.