Ausstellung "Tourismus. Let's do it all!" in der Stadthalle Kiel
Auf einer Dienstreise kam Kiels Stadtgalerie-Leiter und seinem Kurator die Idee, sich einmal dem Tourismus zu widmen. Die Galerie zeigt Moderne Kunst. Es sollte also um zeitgenössische künstlerische Auseinandersetzungen mit dem Phänomen Tourismus gehen.
Die zwei aufblasbaren Figuren - raumhoch, goldgelb und so asiatisch wie jede Winke-Katze - stehen am Eingang zur Stadtgalerie Kiel und spielen zunächst einmal mit Klischees. "Wächterlöwen sind typisch chinesisch und sind dort sowohl Tradition, als auch Souvenir. Frederik Foert arbeitet in Wien, Peking und Berlin, ist quasi Berufstourist und er hat diese Löwen anfertig lassen", sagt Kurator Sönke Kniphals. Das diese Löwen Pekinesen sind - geschenkt!
Was macht eine Sehenswürdigkeit aus?
Solche Figuren, in klein und reisetauglich, sind touristisch eine Attraktion, erklärt Sönke Kniphals. Als Großvariante brächten sie das Thema Beliebigkeit mit: Man könne solche aufblasbaren Löwen überall hinstellen. Die Aufmerksamkeit sei sofort da. Und in diesem Moment ist man im Thema Tourismus drin: Was macht ein Must-See oder eine Sehenswürdigkeit aus, heutzutage vor allen Dingen? Und wie beliebig wird so etwas gesetzt? Wie wichtig ist es, Attraktionen zu haben? Hauptsache es ist groß, es glänzt, es sieht ein bisschen niedlich aus. Und schon hat man die Aufmerksamkeit.
Groß und üppig in Zeiten von all inclusive und Kreuzfahrten
Die zwei Wächterpekinesen quetschen sich geradezu unter die Decke und sind ein feines Bild auch für den Ausstellungstitel: Tourismus. Let’s do it all! Denn groß, üppig und voll genug kann’s in Zeiten von All-inclusive und immer mehr Kreuzfahrten bekanntlich nicht sein. "Das sehen wir auch in der restlichen Ausstellung. Das kommt alles ziemlich groß und laut daher. Aber das hat sich so bei der Konzeption der Ausstellung ergeben. Es gehört zum Thema dazu: Die Attraktion, die Aufmerksamkeit und dass es sich hier so reinquetscht. Natürlich, das ist eine ironische Brechung. Eigentlich ist es zu groß für hier. Aber ja, es ist genauso groß und dick, wie’s geht", sagt Kniphals.
Tourist gaze: Begehren, aufsuchen, abgleichen und wieder mitbringen
Ja, für eine Kunstschau ist es laut, die zwölf verschiedene Positionen aus mehreren Ländern zeigt, erklärt Sönke Kniphals. Und die in fast allen Medien. "Es gibt eine Idee, wie man sich dem Phänomen Tourismus annähern kann: Tourist gaze. Das ist eine relativ populäre Theorie, bei der es darum geht, was Touristinnen und Touristen machen. Sie bekommen Attraktionen, Bilder vorgesetzt durch Werbung, Kataloge, Filme. Und die lösen ein Begehren aus. Sie reisen zu diesen Destinationen und suchen nach diesen Bildern, gleichen die ab und produzieren eigene Bilder, die sie dann auch wieder mitbringen."
Nachfrage und Angebot: Der ewige Prozess des Tourismus
Ob dazu so eine herrlich-produktive Popcorn-Maschine gehört, die gut an die Strände Südfrankreichs passen würde oder nach Florida? Das Ding in Kiel jedenfalls entlässt Cracker ohne Ende in den weiten Ausstellungsraum und lässt den ganz langsam zuwachsen. "Na, ja. Die Möglichkeit besteht und wirft ja Fragen auf. Früher oder später ist entweder der Raum voll oder das Popcorn versiegt. Aber es geht natürlich um den ewigen Prozess des Tourismus, also der Nachfrage und des Angebotes und das, was sich immer weiter steigert."
Vis-à-vis von diesem roten Glücklich-mach-Kasten rattert dagegen ein Motor mit Antriebswelle. Sie dreht kilometerfressend ein PKW-Rad und damit einen schwarzen Reifen, der sich kontinuierlich an der weißen Wand abscheuert, was Stephan Tresp unter den Besuchern an diesem Tag gefällt. "Der Reifen frisst sich jetzt über die Ausstellungsdauer ganz allmählich in die Wand rein und sich selbst ab. Und das ist irgendwie ziemlich lustig, gerade in der Kombination mit dem Geruch und der Popcorn-Maschine gegenüber."
Tourismus: Die Komplexität im Gewohnten einmal verlassen
Tourismus ist ‚organisierte Außeralltäglichkeit‘, sagt Kurator Sönke Kniphals, bei der es darum gehe, die Komplexität im Gewohnten mal zu verlassen. Aber wehe, wenn nicht! Dann wird nachgeholfen - wie das Video von Aram Bartoll auf einer riesigen Leinwand zeigt. "Der dann diese Idealbilder von Stränden tatsächlich vor einen touristischen Strand einschiebt und daraus eine öffentliche Performance gemacht hat, bei der Thailand Biennale, wo die Touristen, die gerade am Strand sind, am Urlaubsort, konfrontiert werden mit der Idealvorstellung dieses Strandes." Was sie dann im Video auch wieder fotografieren und ins Netz stellen und womit sie so für eine bizarre Gleichzeitigkeit der Bilderwelten sorgen.