Wie klingt eigentlich Braunschweig?
Ein Stadtrundgang, bei dem Klänge und Geräusche wahrgenommen werden. Braunschweig mal ganz anders kennenlernen bei sogenannten Klangspaziergängen.
Wer durch die Stadt geht, hört meistens gar nicht genau hin: Dabei hat sie gleichsam einen ganz speziellen "akustischen Fingerabdruck", der lohnt entdeckt zu werden. Denn: Je nach Uhrzeit, je nach Gegend und Standort, ist viel zu hören und wahrzunehmen. Von dieser Idee geht der alternative Kunstverein "Allgemeiner Konsumverein" in Braunschweig aus. Internationale Klangkünstlerinnen und Klangkünstler bieten dazu noch bis Ende des Monats auditive Stadtrundgänge an. Parallel dazu gibt es eine Ausstellung zum Thema: "Wie klingt Braunschweig?"
Path-of-Awareness - Pfad für aufmerksames Hören
"Wenn wir entlang gehen, werden wir nicht reden. Ich gebe Euch verschiedene Zeichen, wie links, rechts; bleibt einfach mal nah bei mir, bleibt ein bisschen weiter weg - je nachdem wie ihr Euch am ehesten wohlfühlt. Und ansonsten wünsche ich Euch eine schöne 30-Minuten-Path-of-Awareness." In roten Tanzschuhen mit extra laut klingenden Sohlen schreitet die Klangkünstlerin Katrinem vor einer Gruppe von Besuchern her. "Path of Awareness" - "Pfad für aufmerksames Hören" nennt die Künstlerin den Spaziergang, der durch Teile der Braunschweiger Innenstadt führt.
Auseinandersetzung mit Umgebung und Geräuschen
Es darf nicht gesprochen werden. Stattdessen sollen die Teilnehmenden nur auf das Klackern der Sohlen hören. Wie klingen sie auf Asphalt, auf Kopfsteinpflaster, wie auf Betonplatten oder Schotter? Wie verändert sich der Schall in Unterführungen und Durchgängen? Wie fügt sich das Klackern der Sohlen ein in den Klangteppich aus Umgebungsgeräuschen? "'Der Pfad für aufmerksames Hören' ist eine Einladung sich mit dem Gehen, dem Atmosphärischen, dem architektonischen Raum, durch den er geht, und den ständig wechselnden Interaktionen, die um einen herum passieren, auseinanderzusetzen." Sagt die Klangkünstlerin, die die Aktion bereits in rund 20 Städten weltweit veranstaltet hat - in Teheran, New York, Linz und anderswo. Und jetzt eben in Braunschweig.
Festival "Klangstaetten, Stadtklaenge" in Braunschweig
Die Performance ist Teil des Festivals "Klangstaetten, Stadtklaenge", veranstaltet vom "Allgemeinen Konsumverein", einem alternativen Kunstverein. Unter der Überschrift "Braunschweig hört sich zu" präsentieren dort Klangkünstlerinnen und Klangkünstler Arbeiten, die sich mit dem urbanen Sound von Niedersachsens zweitgrößter Stadt auseinandersetzen. Die Leiterin des Konsumvereins Anne Mueller von der Haegen sagt dazu: "Was ist der Braunschweig-Klang? Braunschweig hört sich zu - das war die Frage. In einer Stadt, die eine richtige Autostadt ist. Sie lebt von Autos, fährt mit Autos, ist umgebaut für Autos. Was sollte man da wohl hören? Eine Stadt, die so viel Grün hat - was hört man im Grünen?"
Was ist der typische "Braunschweig-Sound"?
Eine Frage, mit der sich auch der britische Musiker und Soundkünstler Peter Cusack befasst. Er forscht rund um den Globus nach dem typischen Klang von Städten - und sammelt deren Sounds in einem stetig wachsenden digitalen Klangarchiv im Internet. In Braunschweig bat er zunächst Bewohnerinnen und Bewohner, ihm typische Stadt-Klänge zu beschrieben. Daraufhin zog Cusack dann mit dem Aufnahmegerät los, um sie professionell aufzunehmen - ganz so, wie er es zuvor unter anderem schon in London, Peking oder Berlin tat. Und Cusack fand tatsächlich so etwas wie den typischen "Braunschweig-Sound": "Jede Stadt hat so etwas wie ihr ganz eigenes klangliches Profil. Eine Kombination von typischen Sounds, die es so nur an einem Ort gibt. Und in Braunschweig mixen sich typischerweise die Geräusche von Straßenbahnen, von Vogelgesang und sehr viel Autoverkehr - denn es gibt überall in der Stadt stark befahrene Straßen." Braunschweig klingt also für viele nach Autos und Vogelgezwitscher!
Beim Hören der Stadtklänge werden Gefühle freigesetzt
Auch Sam Auinger ist dem typischen Klang der Stadt auf der Spur. Der österreichische Musiker und Soundkünstler, hat das Klangfestival in Braunschweig mit kuratiert. Seit Jahrzehnten ergründet er, die Gestaltung und Architektur von Städten, was in ihnen geschieht und was deren Klanglichkeit beeinflusst. Neben dem, was er die "auditive Signatur" einer Stadt nennt, hat der Klang einer Stadt für ihn auch eine starke emotionale Komponente. Die Gefühle, die beim Hören der Stadtklänge freigesetzt werden, will er mit einem Klangspaziergang ergründen, den er "Das Atmen der Stadt" nennt. "Was ich mit Atmen der Stadt meine, ist eigentlich, dass, wenn man genau auf die Räume versucht zu hören, man in ein staunendes Hören kommt. Die Orte fangen irgendwie an zu sprechen."
Hörspaziergänge in Braunschweig bis Ende Juni
Insgesamt zehn Klangkünstlerinnen und Klangkünstler bieten noch bis Ende des Monats ihre ganz speziellen Hörspaziergänge durch Braunschweig an. Sie widmen sich unter ganz verschiedenen sozialen, historischen oder ökologischen Blickwinkeln - oder noch besser Hörwinkeln - den typischen Geräuschen der mittelgroßen Großstadt. Einige dieser "Walks" werden von Studierenden der HbK, der Hochschule für bildende Künste in Braunschweig gestaltet. Dort gibt es eine Klasse für Klangkunst - eine der ganz wenigen dieser Art in Deutschland.
"Braunschweig hört sich zu" - Die Stadtrundgänge und die Ausstellung im "Allgemeinen Konsumverein" Braunschweig gibt es noch bis zum 25. Juni. Details zu allen Veranstaltungen finden sich unter www.klangstaetten.de. Dort können sich Teilnehmende dann auch für die Spaziergänge anmelden.