In der Kirche St. Jakobi hängt ein Gemälde an einer kahlen, grauen Wand. © NDR Foto: Janet Lindemann
In der Kirche St. Jakobi hängt ein Gemälde an einer kahlen, grauen Wand. © NDR Foto: Janet Lindemann
In der Kirche St. Jakobi hängt ein Gemälde an einer kahlen, grauen Wand. © NDR Foto: Janet Lindemann
AUDIO: "Totentanz" in der Kulturkirche St. Jakobi in Stralsund (3 Min)

"Totentanz" in der Kulturkirche St. Jakobi in Stralsund

Stand: 21.06.2023 15:09 Uhr

Seit vielen Jahren thematisiert Rubica von Streng Leben und Tod in ihrer Kunst. Die Bilder ihrer Ausstellung "Totentanz" in der Kulturkirche Stralsund, die bis zum 30. Juli läuft, erregen nun viel Aufmerksamkeit.

von Janet Lindemann

Großformatige Bilder, der Hintergrund kräftig Schwarz, darauf farbige Linien sowie menschliche Körper und Skelette. Eine Figur trägt eine Atemschutzmaske, eine weitere tanzt. Selten haben Bilder so viel Aufmerksamkeit in der Stralsunder Kulturkirche St. Jakobi erregt wie die von Rubica von Streng. Ein Treffen mit der Berliner Künstlerin in der Kirche.

Stralsunder Kulturkirche - Gottesdienste finden hier lange nicht mehr statt

Die Kulturkirche St. Jakobi mitten in der belebten Altstadt ist die jüngste der drei Stralsunder Pfarrkirchen. Gottesdienste finden hier schon lange nicht mehr statt. Im Zweiten Weltkrieg wurde sie von einer Bombe getroffen. Inzwischen wurde die Kirche restauriert. Trotzdem sind die Wände schmucklos, das Langschiff wirkt geradezu leer. Doch von Streng, eine zierliche Frau mit langen dunklen Haaren um die 30, konnte sich keinen besseren Ort für ihren Werkzyklus "Totentanz" vorstellen: "Für mich war der Ort entscheidend. Häufig ist es so, dass es im musealen Kontext woanders gezeigt wird, also in Galerien. Für mich war das aber nicht der Ort, wo ich den 'Totentanz' zeigen wollte."

Der "Totentanz": Das sind Ölbilder und Plastiken, teilweise kombiniert mit lyrischen Texten. Seit vielen Jahren setzt sich Rubica von Streng mit dem Thema Leben und Tod künstlerisch auseinander. Auch in der Jakobikirche fand sie sichtbare Spuren aus der Vergangenheit: Fragmente von Malereien. "Da ich mich auch innerhalb meiner Malerei mit Fragmenten auseinandergesetzt habe, war das sehr schön", so die Künstlerin. "Auch im 'Totentanz' sind teilweise angedeutete Ebenen zu finden. Das habe ich auch hier an dem Ort entdeckt."

Die Stadt ist der Malerin nicht fremd. Schon als Kind ist sie mit ihren Eltern an die Ostsee gefahren. Ihr Vater stammt aus Stralsund. Die Familiengeschichte reicht jedoch bis Schottland. "Die hießen Strang of Balcaskie. Ich war auch in Schottland und habe herausgefunden, dass die dann über Schweden nach Stralsund gekommen sind. Dann wurde der Familienname eingedeutscht auf Streng, von Strenge. Obwohl es eigentlich 'die Stärke' hieß, also strength."

Geschichte des Totentanzes reicht bis in das Mittelalter zurück

In der Kirche St. Jakobi hängen Gemälde an kahlen, grauen Wänden. © NDR Foto: Janet Lindemann
Die Künstlerin Rubica von Streng kann sich keinen besseren Ort für ihre Gemälde vorstellen als St. Jakobi in Stralsund.

Auch im Stralsunder Stadtarchiv hat sie einiges herausgefunden. So befand sich im 18. Jahrhundert ein Offizier im Leibregiment der Königin unter ihren Vorfahren. Die Geschichte des Totentanzes reicht bis in das Mittelalter zurück. Frühe Werke sind zum Beispiel als Fresken an Friedhofswänden zu sehen. Von Streng möchte den Totentanz in einer modernen Form zeigen und bestimmte Themen hervorheben. "Es gibt Bilder in der Ausstellung, die dem Schlachtvieh gewidmet sind. Auch das ist ja Leben, das stirbt." 

Hospizhelfer, Rettungssanitäter: Sie hat sich zu Menschen begeben, die mit dem Tod alltäglich zu tun haben. Das hat sie mehr interessiert als der religiöse Ursprung. Für alle Bilder hat sie Beinschwarz verwendet. "Die Farbe ist kohlenstoffhaltig und wird aus Knochen gewonnen, also aus gelebtem Leben. Das ist dieser schöne Lebenszyklus: Dass aus Kohlenstoff Leben entsteht, aber eigentlich auch die tote Materie."

Rubica von Streng: Tod wird Mysterium bleiben

Jedes Bild beschäftigt sich mit anderen Schwerpunkten, mit verschiedenen Lebenslagen in der Gegenwart des Todes. "Dieses tänzerische Element ist eben ein Ringen. Das kann man betrachten und sich damit auseinandersetzen", sagt die Berlinerin. Sie möchte den Tod nicht entmystifizieren. Ihrer Meinung nach wird er für alle Menschen immer ein Mysterium bleiben. Egal, wie weit die Wissenschaft schon ist. 

Die Ausstellung in der Kulturkirche Stralsund läuft noch bis zum 30. Juli und dann erneut im Herbst.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Kulturjournal | 26.06.2023 | 19:00 Uhr

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