Fotoausstellung: Schauplätze in MV nach der Wende und heute
Der in Hamburg ausgebildete Fotograf Manfred Scharnberg war 1989 mit seiner Kamera unterwegs in Mecklenburg-Vorpommern. 30 Jahre später besucht er die Orte erneut. Seine Zeitdokumente sind in der Ausstellung in "Von heute und morgen" im Mestliner Kulturhaus zu sehen.
Auf einem Foto ist ein halbfertiger Schiffsrumpf zu sehen, ein paar Schweißer sind bei der Arbeit. An der Wand neben dem Bild hängt einer von vielen QR-Codes. Wenn man ihn mit dem Handy scannt, ertönt die Stimme von Thomas Behrens. Seit 1983 arbeitet der Rostocker im Schiffbau: "Neptun war eigentlich die erste totgesagte Werft im Osten. Aber wir haben ein Dock bekommen, das gehörte damals noch zur Warnowwerft. So haben wir uns viele Jahre mit Schiffsreparaturen und Prezisionsstahlbau über Wasser gehalten."
Fotos und Zeitzeugen, die ihre Erinnerungen kommentieren - akustisch eingefangen vom früheren NDR Journalisten Wolfgang Heidelk. So werden die Besucher in der Ausstellung "Von heute auf morgen" doppelt angesprochen - bildstark und akustisch. Mehr als 100 Arbeiten aus 33 Jahren machen die Wände im Mestliner Kulturhaus zu einem Archiv der Zeitgeschichte.
Geschichtenerzähler der Zeitgeschichte
Manfred Scharnberg hat an der Kunsthochschule Hamburg visuelle Kommunikation studiert, lebt lange in München. Direkt Nach der Wende kommt er als Fotojournalist erstmals in den Osten. Seine Auftraggeber sind unter anderem der "Stern", "Die Zeit" und die "Süddeutsche Zeitung". "Es war eine dramatische Situation", erzählt der Fotograf, "eine Situation, die auch fotografisch ungeheuer war, weil alles offen war. Da war zum Beispiel ein Ort: Barth, über den wir eine Reportage machen sollten, der hatte die größte Arbeitslosigkeit in ganz Deutschland. Es gab jeden Tag irgendwelche Nachrichten, von einem Chaos ins andere."
Die großen Magazine interessieren sich in dieser Zeit für den "wilden Osten" und seine Krisen: Werftenpleiten, giftige Mülldeponien, Leerstand, Armut. Ihm sei es bei seiner Arbeit aber nie darum gegangen, Klischees einzufangen, sagt der heute 73-Jährige: "Ich bin nicht derjenige, der bestimmte Botschaften hat. Ich fühle mich als Geschichtenerzähler, ich versuche, die Geschichten der anderen Leute zu erzählen. Ich gehe hin, schaue vor Ort, was ist los, was erzählen die Leute mir. Diese Geschichten versuche ich so gut wie möglich weiterzuberichten."
Atemberaubender Abgleich von Geschichte und Gegenwart
Neben den Verfall gesellt sich in der Ausstellung auch der Aufbau. Die Erfolgsgeschichten muss er nicht lange suchen. Barth etwa hat sich gemausert. Waren die Gewächshäuser an der Boddenküste einst heruntergekommen, wachsen hier heute Tomaten, die über die Landesgrenzen hinaus bekannt sind.
Manfred Scharnbergs fotografischer Blick ist dabei oft nüchtern, aber immer hochgradig ästhetisch. Durch seine fotografischen Studien hat er den Osten kennen und schätzen gelernt. 2016 kehrt er Hamburg den Rücken und zieht nach Schwerin. Hier reift die Idee, die früheren Einsatzorte noch mal zu besuchen.
Für dieses Ausstellungskonzept ist er vor einigen Jahren von der Verwertungsgesellschaft Bildkunst unterstützt worden, erzählt er: "Als 69-jähriger Rentner damals, kriegt man sein erstes Stipendium im Leben, das ist auch mal ganz nett. Daher konnte ich das realisieren, es war ja sehr aufwändig. Ich hab das Thema viel breiter gesehen, als das, was in den 90er-Jahren der Auftrag war. Ich habe die Seele, den Spirit des Landes versucht zu erkunden." Dabei ist ihm ein atemberaubender Abgleich von Geschichte und Gegenwart gelungen.