Du geleitest mich durchs Leben,
Sinnende Melancholie!
Mag mein Stern sich strahlend heben,
Mag er sinken - weichest nie!
Führst mich oft in Felsenklüfte,
Wo der Adler einsam haust,
Tannen starren in die Lüfte
Und der Waldstrom donnernd braust.
Meiner Toten dann gedenk ich,
Wild hervor die Träne bricht,
Und an deinen Busen senk ich
Mein umnachtet Angesicht.
Wer die tiefsten aller Wunden
hat in Geist und Sinn empfunden,
bittrer Trennung Schmerz;
Wer geliebt, was er verloren,
lassen muss, was er erkoren,
das geliebte Herz,
Der versteht in Lust die Tränen
und der Liebe ewig Sehnen
ein in zwei zu sein,
eins im andern sich zu finden,
das der Zweiheit Grenzen schwinden
und des Daseins Pein.
Wer so ganz in Herz und Sinnen
könnt ein Wesen lieb gewinnen,
o′ den tröstet′s nicht,
das für Freuden, die verloren,
neue werden neu geboren:
Jene sind′s jedoch nicht.
Das geliebte, süße Leben
dieses Nehmen und dies Geben,
Wort und Sinn und Blick,
dieses Suchen und dies Finden,
dieses Denken und Empfinden
gibt kein Gott zurück.
Sucht das Leben wohl den Tod?
Oder sucht der Tod das Leben?
Können Morgenröte und das Abendrot
Sich auf halbem Weg die Hände geben?
Die stille Nacht tritt mitten ein,
Die sich der Liebenden erbarme!
Sie winkt: es flüstert: "Amen!" - Mein und dein!
Da fallen sie sich zitternd in die Arme.
So tief und weich, als ob es Gräber wären,
Lass unsre duftumhüllten Lager sein,
Und ringsum Blumen, die in schönren Sphären
Für uns erblüht in einem fremden Hain.
Lass unser letztes Glühen und Begehren
Gleich düsterroten Fackeln lodern drein,
Zwiefache Flammen, die sich spiegelnd mehren
In unsrer Doppelseele Widerschein.
Der Abend brennt in rosig-blauem Flimmer,
Ein letztes Glühen noch, dann schweigt für immer
Der lange Seufzer, schwer von Abschiedsqual.
Und lächelnd tritt ein Engel in das Zimmer
Und weckt zu neuem Leben, neuem Schimmer
Erloschne Spiegel, toter Kerzen Strahl.
Die Glocken hast du noch gepflückt,
Die uns den Lenz verkünden,
Doch nicht, vom schweren Schnee' gedrückt,
In Farben sich entzünden.
Auch hast du dir zum Sonntagsstrauß
Die Veilchen noch gewunden
Und ihren Duft im Gotteshaus
So süß, wie nie, gefunden.
Ein frischer Maienblumenkranz
War dir in's Haar geflochten,
Als dir in deinem letzten Tanz
Die zarten Schläfe pochten.
Die Rosen treffen dich schon bleich
Im Kreise deiner Schwestern:
Der weißen bist du heute gleich,
Der rothen glichst du gestern.
Doch kommen sie zur rechten Frist,
Um deinen Sarg zu decken,
Und was du warst und was du bist,
Noch einmal zu erwecken!
Die Nelken blühen mir allein
Und können mich nur freuen,
Um sie bei hellem Mondenschein
Dir auf das Grab zu streuen.
Wo ist der kleine Jakob geblieben?
Hatte die Kühe waldein getrieben,
Kam nimmer wieder,
Schwestern und Brüder
Gingen ihn suchen im Wald da draus -
Kleiner Jakob, kleiner Jakob, komm nach Haus!
Wo ist der kleine Jakob gegangen?
Hat ihn ein Unterirdscher gefangen,
Muß unten wohnen,
Trägt goldne Kronen,
Gläserne Schuh, hat ein gläsern Haus.
Kleiner Jakob, kleiner Jakob, komm nach Haus!
Was macht der kleine Jakob da unten?
Streuet als Diener das Estrich mit bunten
Blumen und schenket
Wein ein und denket:
Wärest du wieder zum Walde hinaus!
Kleiner Jakob, kleiner Jakob, komm nach Haus!
So muß der kleine Jakob dort wohnen,
Helfen ihm nichts seine güldenen Kronen,
Schuhe und Kleider,
Weinet sich leider -
Ach! armer Jakob! - die Äuglein aus.
Kleiner Jakob, kleiner Jakob, komm nach Haus!
Gestern, Brüder, könnt ihrs glauben?
Gestern bei dem Saft der Trauben,
(bildet euch mein Schrecken ein!)
Kam der Tod zu mir herein.
Drohend schwang er seine Hippe,
Drohend sprach das Furchtgerippe:
Fort, du teurer Bacchusknecht!
Fort, du hast genug gezecht!
Lieber Tod, sprach ich mit Tränen,
Solltest du nach mir dich sehnen?
Sieh, da stehet Wein für dich!
Lieber Tod verschone mich!
Lächelnd greift er nach dem Glase;
Lächelnd macht ers auf der Base,
Auf der Pest, Gesundheit leer;
Lächelnd setzt ers wieder her.
Fröhlich glaub' ich mich befreiet,
Als er schnell sein Drohn erneuet.
Narre, für dein Gläschen Wein
Denkst du, spricht er, los zu sein?
Tod, bat ich, ich möcht' auf Erden
Gern ein Mediziner werden.
Laß mich: ich verspreche dir
Meine Kranken halb dafür.
Gut, wenn das ist, magst du leben:
Ruft er. Nur sei mir ergeben.
Lebe, bis du satt geküßt,
Und des Trinkens müde bist.
O! wie schön klingt dies den Ohren!
Tod, du hast mich neu geboren.
Dieses Glas voll Rebensaft,
Tod, auf gute Brüderschaft!
Ewig muß ich also leben,
Ewig! denn, beim Gott der Reben!
Ewig soll mich Lieb' und Wein,
Ewig Wein und Lieb' erfreun!
Das Leben, so ich führ, ist wie der wahre Tod,
Ja über den Tod selbs ist mein trostloses Leben:
Es endet ja der Tod des Menschen Pein und Leben,
Mein Leben aber kann nicht enden dieser Tod.
Bald kann ein Anblick mich verlötzen auf den Tod,
Ein andrer Anblick bald kann mich widrumb beleben,
Daß ich von Blicken muß dann sterben und dann leben,
Und bin in einer Stund bald lebendig bald tot.
Ach, Lieb! verleih mir doch numehr ein anders Leben,
Wenn ich ja leben soll, oder den andern Tod,
Dann weder diesen Tod lieb ich, noch dieses Leben.
Verzeih mir, Lieb, ich bin dein lebendig und tot,
Und ist der Tod mit dir ein köstlich-süßes Leben,
Und Leben von dir fern ist ein ganz bittrer Tod.