Fluctoplasma Festival: Viel Kunst, Diskurs und Diversität
"Fluctoplasma" ist ein Festival für interdisziplinäre Kunst, Diskurs und Diversität. Vom 24. bis zum 27. Oktober 2024 geht das Festival mit Panels, Talks und Workshops, Performances und Ausstellungen in Hamburg in die fünfte Runde.
"Recharge Resistance" - unter dieses Motto haben Dan Thy Nguyen und Nina Reiprich ihr Festival in diesem Jahr gestellt. Während Rassismus, Antisemitismus und Muslimfeindlichkeit zunehmen, die Rechtsextreme in Deutschland, Europa und der Welt immer stärker wird, scheinen die widerständigen Kräfte zu schwächeln, interne Differenzen spalten Gruppen, die Vielzahl komplexer Krisen überfordert. Es geht fluctoplasma darum, dem Widerstand wieder mehr Kraft zu verleihen, um die Frage der gesellschaftlichen Resilienz. "Wie halten wir Zerreißproben der Demokratie aus?", fragt Nina Reiprich. "Und was gibt es da für Ansatzpunkte? Die Frage, was bedeutet Widerstand oder auch Widerstandsfähigkeit, also auch eine Form von zähem System, was Einschläge verkraftet und trotzdem dann wieder stabil aufstehen kann."
Reiprich meint Einschläge wie den Terroranschlag in Israel. Wie Kulturarbeit nach dem 7. Oktober aussehen kann - dieser Frage widmet fluctoplasma einen ganzen Fachtag. Unter anderem mit einem Vortrag von Karim Fereidooni über antimuslimischen Rassismus, in einem Workshop wiederum geht es um antisemitische Bildsprache.
Fluctoplasma mit Talks, Panels, Filmen, Ausstellungen, Performances und Konzerten
Fluctoplasma will Diskursräume für ganz unterschiedliche Positionen eröffnen und - wenn möglich - Brücken bauen. Denn: Eine resiliente Demokratie muss mit Differenzen klarkommen. Oberstes Gebot für Dan Thy Nguyen ist die radikale Menschlichkeit: "Wie können wir ein Festival, wie können wir eine Ästhetik, wie können wir eine Zivilgesellschaft organisieren, wo wir radikal menschlich sind. Wo es Ambivalenz-Felder, Spannungsfelder gibt, aber das Allerwichtigste ist, dass wir radikal die Menschlichkeit bewahren und auch sie feiern und auch sie weiter etablieren."
Neben hochkarätig und multiperspektivisch besetzten Talks und Panels, gibt es Filme und Ausstellungen, Performances und Konzerte. Widerstand und Widerstandsfähigkeit werden hier ganz unterschiedlich klanglich und künstlerisch übersetzt. Die iranische Multiinstrumentalistin und Komponistin Atena Eshtiaghi aus Hamburg erforscht den Sound der Courage am Beispiel der Protestbewegung iranischer Frauen. Sie verbindet in ihrer Performance traditionelle iranische Instrumente und zeitgenössische Klänge, begleitet von dokumentarischen Bildern.
Inklusion auch Teil des fluctoplasma Festivals
Das fluctoplasma Festival hat in diesem Jahr einen starken Fokus auf ostdeutsche Künstler*innen of color. Der Rapper Sonne Ra ist als Sohn eines Algeriers in Erfurt aufgewachsen, während der sogenannten "Baseballschlägerjahre". Wie er diese Zeit nach der Wende er- und überlebt hat, wie rassistischer Hass und Gewalt sein Leben geprägt haben, darum geht es in seinen Songs. Widerständig ist auch Alina Buschmann. Die Schauspielerin, Autorin und Behindertenaktivistin wünscht sich, dass Inklusion mehr als ein Schlagwort wird, mit dem sich die Mehrheitsgesellschaft schmückt: "Ich möchte, dass behinderte Menschen in unserer Gesellschaft stattfinden, als Teil unserer Gesellschaft gesehen werden, als potentielle Kund*innen, Freund*innen, Künstler*innen, was auch immer, dass wir einfach als Teil dieser Gesellschaft gesehen werden."
Dafür kämpft Buschmann mit ihrem Projekt "Angry Cripples" im Deutschen etwa: wütende Krüppel. Ein ganz schön harter Begriff. Doch Buschmann erklärt: "Angry Cripple ist etwas, wie behinderte Menschen oft genannt werden, weil wir - eigentlich egal was wir tun, egal wie nett wird sind - häufig als zu wütend, zu laut und zu anstrengend wahrgenommen werden. Diesen Begriff nimmt sich Buschmann zurück und deutet ihn positiv um, denn sie findet, "dass es eigentlich völlig legitim sein sollte, wenn wir laut und wütend sind, wenn wir Rechte einfordern." Deswegen hat Alina Buschmann Stimmen behinderter Menschen gegen Ableismus in einem Buch versammelt. Aus "Angry Cripples" liest sie beim fluctoplasma.
Gegen Rassismus meckern und Kolonialismus ausschwitzen
Apropos laut und wütend: Die Performerin, politische Bildnerin und selbsternannte "troublemakerin" Anna Stiede aus Jena ist mit ihrem "Meckerchor" vor den Landtagswahlen durchs ostdeutsche Hinterland gezogen, um gegen Rechtsextremismus anzuschimpfen oder wütet vor dem Bundestag über Claudia Roths Kulturpolitik. Im Workshop "Für das Für" lernen Teilnehmer*innen unter anderem von ihr, wie sie Dampf ablassen durchs Singen und wie das Arbeiten im öffentlichen Raum funktionieren kann.
Das Projekt "Ectogenesis" verbindet zwei Dauerbrenner-Themen der Science-Fiction - Artenaussterben und das Erschaffen künstlichen Lebens - zu einem Gesamtkunstwerk aus Video, Skulptur, Sound und Malerei. In der "Postkolonialen Sauna" können Besucher*innen zu Texten von Audre Lorde und Max Czollek "den Kolonialismus ausschwitzen". Die Gruppenausstellung "Recharge" zeigt Werke, die sich mit individuellen Traumata und gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten befassen.
Mehr als Kunstgenuss und Ästhetik
Beim fluctoplasma geht es um mehr als Kunstgenuss, um mehr als Ästhetik. Unerhört, oft überhört sind die Stimmen, denen es eine Plattform bietet. Das Festival ist explizit politisch, soll in die Gesellschaft hineinwirken. Dan Thy Nguyen glaubt auch an dessen Wirkmacht: "Wenn man sich aktiv beteiligt in einer Gesellschaft, muss man Leidenschaft und Hoffnung haben, ansonsten würde man das nicht machen. Da stecken wir einfach jedes Jahr Hunderte von ehrenamtlichen Stunden hinein, weil wir davon überzeugt sind, dass es nichts Gutes gibt, außer man tut es."
Nina Reiprich findet außerdem, dass sich in den vergangenen Jahren schon viel getan hat, was das Bewusstsein für Fragen zu Rassismus und Diversität betrifft. "Und da würde ich jetzt ganz selbstbewusst für alle Kulturschaffenden sagen, da hat die Kultur und vor allen Dingen die freie Kunst und Kultur einen enormen Beitrag geleistet, diese Multiperspektivität zu verankern".
Fluctoplasma Festival: Viel Kunst, Diskurs und Diversität
Zum fünften Mal startet das interdisziplinäre Festival in Hamburg. Vom 24. bis zum 27. Oktober 2024 gibt es an unterschiedlichen Orten Talks, Workshops und Ausstellungen.
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MARKK
Rothenbaumchaussee 64
20148 Hamburg