Wettbewerbs-Entwürfe zur Kontextualisierung des Hamburger Bismarck-Denkmals hängen in der Ausstellung "Bismarck neu denken" im Museum für Hamburgische Geschichte © Franziska Storch/NDR
Wettbewerbs-Entwürfe zur Kontextualisierung des Hamburger Bismarck-Denkmals hängen in der Ausstellung "Bismarck neu denken" im Museum für Hamburgische Geschichte © Franziska Storch/NDR
Wettbewerbs-Entwürfe zur Kontextualisierung des Hamburger Bismarck-Denkmals hängen in der Ausstellung "Bismarck neu denken" im Museum für Hamburgische Geschichte © Franziska Storch/NDR
AUDIO: Wettbewerb "Bismarck neu denken": Ausstellung zeigt alle Entwürfe (3 Min)

Wettbewerb "Bismarck neu denken": Ausstellung zeigt alle Entwürfe

Stand: 27.07.2023 09:13 Uhr

Der Wettbewerb, bei dem es darum ging, das Hamburger Bismarck-Denkmal umzugestalten, ging ohne Gewinner aus. Alle eingesandten Entwürfe zeigt nun das Museum für Hamburgische Geschichte.

von Franziska Storch

Im Alten Elbpark in Hamburg steht die größte Bismarck-Statue der Welt, und das seit über 125 Jahren. Der Stein-Koloss wurde seit drei Jahren saniert, ist aber umstritten. Denn heute blickt man skeptischer auf diese Zeit und den Reichskanzler.

Anonyme Entwürfe, vor allem aus Hamburg

Die 78 Entwürfe sind ganz verschieden: Bismarck wird zum Fischermann im gelben Friesennerz; er wird zum Kletterfelsen umfunktioniert; oder eine Spirale rund herum bis auf Augenhöhe, macht ihn zur Aussichtsplattform. In der Ausstellung hängen die Entwürfe als DIN A2-Plakate in einer langen Reihe nebeneinander. Eingereicht wurden die Entwürfe anonym.

"Wir hatten Angst, dass deutsche Profi-Architekturbüros alles dominieren könnten, weil die diese Ausschreibungs-Regularien am besten beherrschen. Dem war nicht so", sagt Jurymitglied Jürgen Zimmerer von der Forschungsstelle Hamburgs (post-)koloniales Erbe. Die Entwürfe kommen überwiegend aus Hamburg. Darunter ist auch die Künstlerin Hannimari Jokinen. Sie hat Bismarck zugetextet von oben bis unten. Die Idee kam ihr durch Graffiti und Texttafeln: "Es sind Gedichte aus aller Welt, und zwar von den Nachkommen der kolonisierten und der eroberten Gebiete, auch in Europa. Ich frage, wie eine Erinnerung zwischen den Generationen funktioniert, an die Bismarck-Zeit, an die Zeit der Kolonisierung."

Weitere Informationen
Das Bismarck-Denkmal in Hamburg © imago

Kein Gewinner beim Bismarck-Wettbewerb: "Eine unmögliche Aufgabe"

Ein Gespräch mit dem Historiker Jürgen Zimmerer, Mitglied der Jury zu einer Kontextualisierung des Bismarck-Denkmals in Hamburg. mehr

Kritik am Denkmalschutz und offener Wettbewerbsform

Diesen Entwurf und sieben weitere wählte die Jury in die zweite Runde. Doch warum es keinen Gewinner gab, dazu gibt es ganz unterschiedliche Antworten. Jurymitglied Jürgen Zimmerer sieht auch den Denkmalschutz verantwortlich, wegen der Vorgaben. Griffe für einen Kletterfelsen, Schrift mit witterungsbeständiger Farbe oder Verankerungen für eine umrundende Treppe - all das scheint beim frisch sanierten Bismarck kaum möglich. Jurymitglied und Künstler Christoph Schäfer glaubt, dass die offene und anonyme Wettbewerbsform mit in das Dilemma geführt hat. Er wäre für einen beschränkten Wettbewerb mit längerer Vorlaufzeit: "Mit Positionen, die sich mit dekolonialer Geschichte auseinandersetzen, mit Positionen, denen das zuzutrauen ist, sich hier anzulegen auf dem Level. Eine Künstlerin, die sehr bekannt ist, die hier einen Gegenentwurf macht oder einen, der unseren heiligen Bismarck antastet, die dürfte nicht so leicht wegzuputzen sein, wie ein lokaler, bis dahin nicht bekannter Künstler."

Wettbewerb eine Verschwendung von Steuergeldern?

Der Hamburger CDU-Fraktionschef Dennis Thering kritisierte den Wettbewerb scharf als Verschwendung von Steuergeldern. Das sieht Enno Isermann von der Kulturbehörde anders. Seiner Meinung nach hat der Wettbewerb das Bewusstsein für das koloniale Erbe Hamburgs geschärft: "Wir sollten diesen Weg weitergehen, den wir schon begonnen haben, nämlich uns mit dem Kolonialismus auf ganz unterschiedlichen Ebenen auseinanderzusetzen, auch im Unterricht, auch in Museen, beim Thema Straßennamen."

Ein weiterer Wettbewerb ist bisher nicht geplant. Aber die kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte des Denkmals und der kolonialen Vergangenheit geht weiter.

Das Museum für Hamburgische Geschichte zeigt alle 78 Entwürfe bis zum 14. August. Donnerstags ist der Eintritt ab 17 Uhr frei. Und am Donnerstag ist das Museum sogar bis 21 Uhr geöffnet.

Weitere Informationen
Das Bismarck-Denkmal im Hamburger Stadtteil St. Pauli. © NDR Foto: Heiko Block

Hamburgs Bismarck-Denkmal: Worum geht es bei der Diskussion?

Sanierung, Kolonialismus-Debatte, historische Neu-Kontextualisierung, Ideenwettbewerb: Antworten auf die wichtigsten Fragen. mehr

Blick aus der Froschperspektive auf den Oberkörper der Hamburger Bismarck-Statue. Die Figur hält ein Schwert in den Händen. © Screenshot
1 Min

Streit um Hamburger Bismarck-Statue geht weiter

Kein Vorschlag des Ideenwettbewerbs zur "Kontextualisierung" des Kolonialdenkmals soll umgesetzt werden. Was nun? 1 Min

Otto von Bismarck auf einem Gemälde von Franz von Lenbach © picture-alliance / akg-images / Erich Lessing Foto: Erich Lessing

Otto von Bismarck: Gutsherr, Kriegsherr, Reichskanzler

Der ehemalige Reichskanzler Otto von Bismarck ist eine umstrittene Figur. Wer war der Politiker und wofür stand er? Ein Dossier. mehr

Der Kopf des Bismarckdenkmals mit hinzugefügten Augen.
3 Min

Heimatkunde: Bismarck-Denkmal

Mit Hamburg war der erste deutsche Reichskanzler Otto von Bismarck eng verbunden. Das zeigt auch das riesige Denkmal unweit der Landungsbrücken. Fünf Fakten über den Koloss. 3 Min

Wettbewerb "Bismarck neu denken": Ausstellung zeigt alle Entwürfe

Wie könnte das Hamburger Bismarck-Denkmal umgestaltet werden? Im Museum für Hamburgische Geschichte können alle Wettbewerbs-Einsendungen betrachtet werden.

Art:
Ausstellung
Datum:
Ende:
Ort:
Museum für Hamburgische Geschichte
Holstenwall 24
20335 Hamburg
In meinen Kalender eintragen

Dieses Thema im Programm:

NDR 90,3 | Kulturjournal | 26.07.2023 | 19:00 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Ausstellungen

Ein leerer Bilderahmen hinter Polizei-Absperrband. © NDR Foto: Foto: [M] Aleksandr Golubev | istockphoto, David Wall | Planpicture

Kunstverbrechen - True Crime meets Kultur

Lenore Lötsch und Torben Steenbuck rollen spektakuläre Kunstdiebstähle auf. Sie nehmen uns mit an Tatorte, treffen Zeugen und Experten. mehr

Eine Grafik zeigt einen Lorbeerkranz auf einem Podest vor einem roten Hintergrund. © NDR

Legenden von nebenan: Wer hat Ihren Ort geprägt?

NDR Kultur erzählt die Geschichte von Menschen, die in ihrer Umgebung bleibende Spuren hinterlassen haben - und setzt ihnen ein virtuelles Denkmal. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mehr Kultur

Eine Papst-Darstellerin kniet auf einer Bühne und hält ein Kreuz hoch, im Hintergrund andere Darsteller. © Michael Werthmüller

Musical-Winter in Hameln: "Die Päpstin" sorgt für volle Reihen

Das Musical wird noch bis zum 5. Januar im Hamelner Theater gespielt. Seit zwölf Jahren mischt die Stadt im Musical-Geschäft mit. mehr