Hamburger Haus der Photographie widmet sich Verschwörungstheorien
Was ist Fakt, was Fake? Welches Bild ist konstruiert, um Verschwörungstheorien zu verbreiten? Im temporären Hamburger Haus der Photographie "Phoxxi" lädt ein ungewöhnliches Projekt zu einem "Roadtrip durch die Bildwelten viraler Verschwörungstheorien".
Ununterbrochen werden die Bilder auf die durchsichtigen Wände der drei übermannshohen Glaskuben projiziert: Ufos, Flugobjekte, gleißende Lichterscheinungen, Riesentanker, Häuser, ganze Straßenzüge, die in der Luft schweben, Observatorien und Militäreinrichtungen in der Wüste, Doppelgänger von Politikern.
Über allem wabert ein sphärischer Soundtrack. "Was daran interessant ist: Das sind alles Bilder, die an der Echtheit unserer Welt zweifeln", erklärt Nadine Isabelle Henrich. Die neue Kuratorin des Hauses der Photographie stellt in ihrem ersten Projekt das New Yorker KünstlerInnenduo Andrea Orejarena und Caleb Stein vor.
Sie fischen seit der Corona-Pandemie bildgewordene Fake News aus dem Internet. Damit haben sie mittlerweile ein Archiv aufgebaut über "eine Online-Kultur, die unsere Welt teils humorvoll, teils paranoid-idiologisch als Simulation begreift, und damit auch ein Entfremdungsgefühl zum Ausdruck bringt, dass Teile der Gesellschaft das Gefühl haben, ihnen entgleitet die Wirklichkeit", erklärt Henrich.
Neue Kuratorin Isabelle Nadine Henrich: Ein anderer Blick auf Fotografie
Wie sehr diese kruden Vorstellungen bereits unsere Wahrnehmung von Bildern beeinflussen, enthüllen einige großformatige Fotografien. Sie sehen genauso aus wie die Verschwörungsszenarien aus dem Netz - nur wurden sie von dem KünstlerInnenduo auf Reisen durch die USA gemacht. So steht da, versteckt im Tal einer lebensfeindlichen Wüste, ein Mars-Simulationszentrum. Es gehört Elon Musk.
"Was die beiden da geschaffen haben, ist für mich ein zeitgenössischer, poetischer Blick auf fotografische Praxis im Alltag, die eine eigene Bildsprache entwickelt", sagt Isabelle Nadine Henrich. Die 33-Jährige steht für einen Generationenwechsel am Haus der Photographie.
Schon mit ihrem ersten Projekt, das den Auftakt für eine mehrteilige Reihe zum Thema "Fotografie und Verschwörungstheorien" bildet, macht sie klar: Nach dem eher "klassischen Programm" ihres langjährigen Vorgängers Ingo Taubhorn wird es in Zeiten von Digitalisierung und KI um einen anderen Blick auf das Medium Fotografie gehen.
Haus der Photographie bietet umfangreiches Informationsangebot
"Meine kuratorische Arbeitsweise ist eine, die sich immer an Prozessen ausrichtet", erzählt Henrich. "Die Fotografie findet zunehmend als ein prozessbasiertes Medium statt. Das Bild wird nicht nur aufgenommen, sondern es ist ein Bild, das geteilt, das bearbeitet wird, das ein Eigenleben führt. Dieses Eigenleben schreibt sich in die Form der Fotografie ein und formt unsere Gesellschaft."
Für alle, die mehr rund um das Thema Fotografie und Desinformation wissen wollen, gibt es ein umfangreiches und kostenloses Informationsangebot, darunter Symposien, Workshops und Schulangebote. Eine Broschüre liefert ein hilfreiches Glossar von Verschwörungsbegriffen.
Eine elf Meter lange Infowand erdet das Thema und deckt die Zusammenhänge auf zwischen irrealen Verschwörungsbildern und realen politischen und ökonomischen Interessen. Dafür sind 120 aktuelle Zitate von WissenschaftlerInnen versammelt, die leider oft sehr insidermäßig-fachspezifisch daherkommen. Schade, denn ein so engagiertes Projekt müsste doch daran interessiert sein, Bild- und Medienkompetenz maximal niedrigschwellig zu vermitteln, damit wir alle dem Lügengeflecht der Trumps und Musks Contra geben können.