Wenn das Hässliche spannender ist als das Schöne: "Vienna Ugly Tour"
Normalerweise gucken wir uns in fremden Städten die schönsten Ecken an. Man kann aber auch eine Tour weg von der Schönheit, hin zu den sonderbarsten Bauwerken buchen - wie die "Vienna Ugly Tour" des Urbanisten Eugene Quinn.
Der Brite Eugene Quinn führt zu den - seiner Meinung nach - hässlichsten Gebäuden in Wien auf seiner Tour "Vienna Ugly": "Man kann die Stadt neu begreifen, wenn man die schönen Gebäude links liegen lässt und sich stattdessen auf die Verliererbauten daneben konzentriert, über die normalerweise niemand spricht", findet Eugene Quinn. "Man muss sie ernst nehmen und herausfinden, wie sie gebaut wurden, und wie wir verhindern können, dass wieder so gebaut wird."
Nazi-Propaganda-Bauten in Wien
"Wir leben in einer polarisierten Gesellschaft. Wenn Menschen mit unterschiedlichen Geschmäckern aufeinandertreffen, bringt uns das weiter, zum Beispiel zu entdecken, dass andere ein kitschiges Hotel schön finden oder einen Nazi-Turm irgendwie dramatisch und interessant", sagt Quinn. "Dieser Turm ist von 1944, vom deutschen Architekten Friedrich Tamms, der auch die Autobahn entworfen hat. Er liebte Beton. Die Nazis haben den Turm gebaut, um britische und amerikanische Flugzeuge abzuschießen, die Wien bombardierten."
Die Nazis standen auf politisches Theater. Es war Teil ihrer Propaganda, solch aggressive Macho-Türme in einen barocken Park zu stellen. "Ob das funktional war? Es wurde nicht ein Flugzeug abgeschossen."
"Hässliche" Architektur mit der "Vienna Ugly Tour" hinterfragen
Eugene Quinn hat auch mal eine Tour zu "schönen" Gebäuden angeboten. Niemand kam. "Ich beschäftige mich sonst sehr viel mit Kunst, dem scheinbar Schönen und definiertem Schönen. Ich finde, das Hässliche ist eine ganz eigene Ästhetik", meint ein Besucher und eine Besucherin ergänzt: "Man lernt zu hinterfragen: Ist es wirklich hässlich oder ist es einfach aus einer anderen Zeit? Habe ich jetzt andere Vorstellungen? Warum finde ich das jetzt hässlich?"
"Das ist das österreichische Innovationsministerium", erklärt Quinn. "Als ich diese Tour vorbereitet habe, habe ich angefragt, ob ich mit der Gruppe auch ins Gebäude dürfte. Die Antwort war: Klar, wir bekommen sonst nie Besuch! Architektur ist der einzige kreative Bereich, zu dem wirklich jeder eine Meinung hat. Es ist einfach, sich nicht für Literatur oder Ballett zu interessieren, aber mit Gebäuden hat jeder zu tun. Wir arbeiten, leben und bewegen uns jeden Tag in ihnen. Deshalb reagieren wir instinktiv darauf."