Warum Caspar David Friedrichs Skizzenbuch in Deutschland bleiben muss
Caspar David Friedrichs "Karlsruher Skizzenbuch von 1804" ist im Herbst versteigert worden. Doch es darf Deutschland nicht verlassen, da es von der Berliner Kulturverwaltung unter "Kulturgutschutz" gestellt worden ist. Nicht alle sind froh darüber.
Es war der größte Auktions-Coup für den deutschen Kunsthandel im vergangenen Jahr, als das Auktionshaus Grisebach im Herbst ein Skizzenbuch von Caspar David Friedrich für 1,8 Millionen Euro versteigerte. Im Jahr 1804 soll der Maler das Schmuckstück stets in den Taschen seines Reisemantels mitgeführt haben. Später war es 200 Jahre lang im Privatbesitz einer Familie in Karlsruhe. Laut des Auktionshauses ist es das letzte bekannte gebundene Skizzenbuch des Künstlers.
Skizzenbuch gilt als "nationales Kulturgut"
Das Berliner Auktionshaus machte mit der Versteigerung des kleinen Karlsruher Skizzenbüchleins ein gutes Geschäft. Doch das scheint jetzt gescheitert. Kurz vor der Auktion musste Grisebach nämlich mitteilen, dass die Berliner Kulturbehörde ein Verfahren zur Eintragung in die offizielle Kulturgutschutz-Liste eingeleitet hat. Dieses hat ergeben: Das Skizzenbuch gilt jetzt als "nationales Kulturgut" - und darf deswegen nicht mehr außer Landes gebracht werden. Es gilt ein Ausfuhrverbot.
Beim Auktionshaus Grisebach ist man wenig begeistert darüber, wie Co-Geschäftsführer Daniel von Schacky zu verstehen gibt: "Das heißt für den Käufer: Er kann es gerne in Deutschland behalten. Aber er kann es nicht endgültig ausführen ins Ausland - und das ist somit natürlich wenig reizvoll für den Käufer."
Käufer soll ein namhaftes Museum im Ausland sein
Wenig reizvoll für den Käufer scheint es tatsächlich, denn wie gemunkelt wird, soll es sich dabei um ein namhaftes angelsächsisches Museum handeln. Das soll wiederum "not amused" sein, um es mal mit britischem Understatement auszudrücken. Daniel von Schacky: "Der Käufer ist sehr enttäuscht darüber, auch weil das Werk natürlich in dieser Institution auch ausgestellt werden würde und daher der Öffentlichkeit zugänglich wäre. Es ist das Gegenteil von dem, was man denkt, dass es in irgendeinem Safe verschwindet und nie mehr gesehen wird."
Hintergrund der Entscheidung ist das Kulturgutschutzgesetz aus dem Jahr 2016. Dieses wurde von der damaligen Kulturstaatsministerin Monika Grütters verabschiedet und soll eigentlich dazu dienen, das nationale Kulturerbe zu schützen und illegalen Handel von Raubgütern zu verhindern. Doch schon damals gab es Streit mit dem deutschen Kunsthandel. Der befürchtete eine überbordende Bürokratie und eine Schädigung des deutschen Kulturstandorts. Einige Künstler wie Georg Baselitz zogen aus Protest sogar ihre Kunstwerke aus deutschen Museen ab.
"Warum an einer solchen Scharade teilnehmen?"
Der Co-Geschäftsführer vom Auktionshaus Grisebach spricht von einem "Präzedenzfall" - mit einem Schaden für den Kunstmarkt in Deutschland, wie er sagt: "Die Problematik ist, dass sich Käufer aus dem Ausland fragen, warum sie an einer solchen Scharade teilnehmen sollen, wenn am Ende aus dem Blauen heraus der Staat kommt und sagt, dass die Dinge nicht raus dürfen?"
Die Kunstauktion als Scharade? Das sei "Quatsch", so Liane Rybczyk. Sie hat jahrelang in der Berliner Senatsverwaltung für Kultur gearbeitet - und kann den Ärger nicht nachvollziehen. Als Verwaltungsjuristin war sie zuständig für den Kulturschutz. Sie hat sogar am Kulturgutschutzgesetz von Monika Grütters mitgearbeitet. Ich kann natürlich verstehen, dass es ein bisschen misslich ist für das Auktionshaus", so Rybczyk. "Aber das Argument, dass der Kunsthandel-Standortes Deutschland gefährdet würde, wurde ja schon erhoben während der parlamentarischen Beratungen zu diesem Gesetz. Es hat sich gezeigt, dass es nicht stimmt."
"Gesetzt verhindert keineswegs die Auktion an sich"
Auch das Skizzenbuch von Caspar David Friedrich wäre über ihren Tisch gelaufen, wäre sie nicht schon Pensionärin. "Das Gesetz verhindert keineswegs die Auktion an sich", so Rybczyk. "Es darf verkauft werden, wurde ja auch verkauft, aber es darf nicht in das Ausland ausgeführt werden. Und die Villa Grisebach hat ja im Auktionskatalog selber schon sehr viele Argumente angeführt, weshalb dieses Skizzenbuch von besonderer Bedeutung ist."
Das ist für das Auktionshaus aber gerade die berechtigte Begründung dafür, das Skizzenbuch aus Deutschland ausführen zu können. "Caspar David Friedrich ist ein Paradebeispiel für einen Künstler, von dem fast alles Bedeutende in deutschen Museen gelagert ist", so von Schacky. "Ausländische Museen haben sehr wenige Werke von Friedrich. Es stellt sich wirklich die Frage, ob es sinnvoll ist, das alles hier in Deutschland haben zu müssen, ohne Friedrichs Werke mit dem Rest der Welt teilen zu können."
"Behörde entscheidet immer auf Grundlage fachlicher Expertise"
Rybczyk wiederum entgegnet, dass die Entscheidung der Behörde immer auf Basis eines Sachverständigen-Ausschusses erfolge. In ihm sind Wissenschaftler, private Sammler, aber auch Mitglieder des Kunsthandels vertreten. "Die Behörde entscheidet das immer auf der Grundlage der fachlichen Expertise", erläutert Rybczyk. "Ich bin selbst Juristin, keine Kunsthistorikerin oder Archäologin. Natürlich ist man auf die fachliche Expertise angewiesen - und die ist eben im Sachverständigenausschuss vertreten. Aus meiner eigenen Praxis kann ich sagen: Es gab noch nie eine Entscheidung gegen das Votum des Sachverständigen-Ausschusses."
Das Skizzenbuch stammt übrigens aus dem Nachlass von Friedrichs Freund Georg Friedrich Kersting. Fest steht: Es wird jetzt in Deutschland bleiben müssen. Der Einlieferer prüft nun rechtliche Schritte - wobei unklar ist, ob diese Erfolg haben könnten.