Vom Klo zum Kulturzentrum: Das Mikropol in Hamburg-Rothenburgsort
Mitten auf einer Verkehrsinsel im Hamburger Stadtteil Rothenburgsort ist ein Ort für Kunst, Kultur und Begegnungen in der Nachbarschaft entstanden. Das Mini-Kulturzentrum im ehemaligen Toilettenhäuschen ist selbstorganisiert - und preisgekrönt.
Links und rechts rauschen die Autos vorbei. Mitten auf dem Grünstreifen steht das kleine Häuschen aus Rotklinker. An der Frontseite leuchtet ein buntes Graffiti mit der Aufschrift "Frauen. Leben. Freiheit". Es ist ein Kunstwerk in Solidarität mit den Menschen im Iran. An beiden Seiten gibt es jeweils einen Eingang - als ehemalige Bedürfnisanstalt ursprünglich klassisch separiert für Männer und Frauen. Heute treffen sich hier unterschiedliche Menschen zu einem Fotoworkshop.
Mikropol in Rothenburgsort: "Einfach vorbeikommen"
Eine der Anwesenden erzählt: "Ich finde es super, einfach Orte neu zu nutzen, für neue Bedürfnisse sozusagen. Und dabei zu gucken: Was kann so ein Stadtteil gebrauchen?" Eine andere Teilnehmerin: "Was mich besonders hierher gezogen hat, ist, dass es so ein niedrigschwelliges Angebot war - ohne Anmeldung, einfach vorbeikommen. Ich hoffe, dass hier noch andere Sachen stattfinden, ich habe einen großen Bildungshunger."
Seit vier Jahren schon findet hier ganz viel statt: Jeden Mittwoch zum Beispiel das offene Treffen, wo man einfach auf einen Kaffee oder Tee vorbeikommen kann. Außerdem wechselnde Kunstausstellungen oder Workshops und Stadtteilrundgänge.
Mini-Stadtteilkulturzentrum: Hochbetrieb im Lockdown
Als das neue Stadtteilkulturzentrum kurz vor der Pandemie eröffnet hat, dachten die Initiatoren, der Lockdown bedeutet das Aus. Aber das Gegenteil war der Fall, erzählt Marius Töpfer, der ehrenamtlich im Vorstand ist: "Wir haben wahnsinnig viele Schlüssel nachproduziert, weil Leute dann hier Geige geübt haben, ihr Sportprogramm und Hausaufgabenhilfe gemacht haben. Das konnte alles nur selbstorganisiert funktionieren."
Beim Mikropol läuft es so, dass ganz viele Menschen aus dem Stadtteil einen Schlüssel für das Zentrum haben und sich alle in einem gemeinsamen Kalender organisieren, wer den Raum wann nutzt. "Das funktioniert total super", erzählt Lisa Zander, ebenfalls eine Ehrenamtliche aus der Nachbarschaft. "Da entstehen auch Begegnungen, weil manchmal bin ich hier und bringe irgendwas vorbei oder so und dann sehe ich, wie Leute den Raum benutzen, um abzuhängen." Genau das braucht es offenbar in Rothenburgsort. Es gibt zwar Parkflächen und Imbissbuden. "Aber Orte, wo ich mir einfach mal einen Kaffee kochen kann und nicht in meiner Wohnung sitze, gibt's nicht so viel", sagt Zander.
Kreativer Freiraum auf 50 Quadratmetern
Das Mikropol ist ein 50 Quadratmeter großes Kleinod an einer Straßenkreuzung und hat hier im wahrsten Sinne des Wortes eine Nische gefunden. Unattraktiv für den Immobilienmarkt, haben die Nutzerinnen und Nutzer ein unbefristetes Mietverhältnis und viel kreativen Freiraum. "Das Mikropol ist über die Jahre zu einem alltäglichen Ort der Nachbarschaft geworden", so Marius Töpfer. "Es ist selbstverständlich geworden, dass es hier auf der Kreuzung dieses Mini-Stadtteilzentrum gibt und Leute anfragen für Dinge, die sie hier gerne tun würden."
Was angefangen hat als Kunst im öffentlichen Raum, indem sich Nachbarinnen und Nachbarn einfach mit Stühlen vor das ehemalige Toilettenhäuschen gesetzt haben, ist jetzt ein etabliertes Stadtteilkulturzentrum in Hamburgs Osten - ein echtes selbstorganisiertes Vorzeige-Projekt. So hat das Mikropol auch den Stadtteilkulturpreis gewonnen. Lisa Zander: "Durch den Preis gab es Aufmerksamkeit und diese Würdigung durch die Stadt, dass die Arbeit, die wir hier machen, total wichtig ist. Das war echt schön."