"The Soul Station" im Berghain: Video-Kunst im Techno-Club
Das Berghain in Berlin hat sich neben seinem Ruf als Techno-Club auch als Kunstort einen Namen gemacht. In der Halle am Berghain ist aktuell eine Ausstellung der britischen Videospiel-Künstlerin Danielle Brathwaite-Shirley zu sehen.
Rauer, hoher Sichtbeton wird mal neon-gelb, mal leuchtend rot angestrahlt. Dazu sphärische, betörende Klänge, mal dumpf, mal brodelnd. Eine Nebelmaschine hat die Halle am Berghain, wo sonst Konzerte stattfinden, in eine dystopische Welt verwandelt. Erinnerungen an durchzechte Nächte werden wach.
Es ist eine Installation der britischen Künstlerin Danielle Brathwaite-Shirley und der LAS Art Foundation als präsentierende Kunstinstitution. In "The Soul Station" hat Brathwaite-Shirley ihre Videospiel-Arbeiten zusammengefasst, in denen sie künstlerisch den Geschichten marginalisierter Gruppen, wie der Black- oder Transgender-Community, nachforscht. Unterschiedliche und körperhohe Bildschirme fordern die Besucher auf, die eigenen Seele zu scannen. Die Künstlerin erklärt, was dahinter steckt: "Wir leben in einer sehr bewertenden Welt, in der das Urteil mit einem schnellen 'Hammer der Gerechtigkeit' über uns gefällt wird. Die Sollstation versucht, ihnen einen Moment dieser Selbsteinschätzung zu geben und ihnen zu ermöglichen, zu bestimmen, was sie denken, dass sie sind, ohne dass es sich um eine Art 'Lehrfabrik' handelt, die jemanden besser machen soll."
Gamen mit sozialem Gedanken
Mittelpunkt der Installation ist aber eine kleine Arena, die an die Ekklesia erinnert - die Volksversammlung im antiken Griechenland. Im Zentrum der Arena nehmen zwei Besucher Platz. An einer Leinwand manövrieren sie die Charaktere durch die Parallelwelt. Nach einer Revolution gegen die globale Sklaverei wurden Herrschende gestürzt. Die alten moralischen Grundsätze gelten nicht mehr. Die User sind aufgefordert, sie neu zu lernen und ethische Dilemmata zu lösen.
Was für eine Geschichte wird hier eigentlich erzählt? Welches Leben gerettet? Wie wirken Ausgrenzung und Marginalisierung? Wie an einer Playstation können die Besucherinnen und Besucher auf den Rängen der Arena in kritischen Augenblicken per Controller mit ins Geschehen eingreifen. User spielen hier nicht gegen- sondern miteinander. Ein sozialer Gedanke, findet Kurator Boris Magrini von der LAS Art Foundation.
Abtauchen in Parallelwelten
Die Künstlerin will einen immersiven Effekt erzeugen: Gäste rezipieren nicht passiv wie bei einem Film, sondern sollen zur Interaktion gezwungen werden. Der (interaktive) Charakter von Videospielen passt hier ideal, findet Boris Magrini: "Man muss nur neugierig sein. Man muss bereit sein, sich ein bisschen Zeit zu nehmen, zu verstehen, wie diese Videospiele funktionieren. Zum Beispiel ist die 'Soul Station' nicht einfach zu lösen, wenn man denkt, ich mache das schnell in fünf Minuten."
Games haben Hochkonjunktur: Ein Drittel der Weltbevölkerung, also sage und schreibe drei Milliarden Menschen, spielen inzwischen Videospiele und verschwinden, wenn man so will, fast täglich in Parallelwelten. Wo liegt da der Reiz? Boris Magrini glaubt, das Fiktion und Realität gar nicht so viele Unterschiede mitbringen: "Auch Science Fiction oder Fantasy Filme sind immer wieder eine Spiegelung von unserer Gesellschaft. Man träumt von anderen Welten. Man träumt von anderen Kulturen. Aber am Ende geht es um die gleichen Beziehungen und gesellschaftliche Fragen."
Erst seit Jahren Auseinandersetzung mit Videospielen und Games
Es scheint, als setze sich die Kunst erst seit einigen Jahren mit Videospielen und Games so richtig auseinander. Früher waren die Game-Engines noch sehr teuer. Heute sind die meisten gratis und für alle zugänglich. Jeder kann sie benutzen und sich auch selbst beibringen. Das vereinfacht auch die künstlerische Produktion mit dem Genre "Games". Besonders bei einer jungen Generation von Künstlerinnen, wie bei Danielle Braithwaite-Shirley: "Ich bin selbst eine große Videospiel-Liebhaberin, und für mich sind Videospiele großartig, weil sie eine so aktive Auseinandersetzung mit der Welt, aber auch mit Entscheidungen darstellen. Es ermöglicht dir, andere Entscheidungen durchzuspielen, die du treffen könntest, und macht so deine eigene Moral sichtbar."
"Ist das Kunst oder Spielerei?"
Ältere Besucher fragten Kurator Boris Magrini trotzdem häufig: Ist das Kunst oder doch einfach nur Spielerei? "Auch bei Sound-Art, Konzerten, klassischer Musik oder experimenteller Musik muss man die Grenzen suchen, wo sind sie? So gibt es auch kommerzielle Games, Indie-Games oder Art-Games - also wo sind die Grenzen?", fragt Boris Magrini draußen vor der Halle am Berghain. Im Hintergrund wummern die Bässe. Diese Grenzen auszuloten, versuchen wohl auch die regulären Besucher des Berghains, die sich an diesem Nachmittag noch immer in die etwa 50 Meter lange Schlange einreihen. Was werden sie dort erleben? Vor welche soziale Entscheidungen werden sie gestellt? Vielleicht scheint das Abtauchen in Parallelwelten und ihre Faszination daran schon immer die Kunst und Kultur angetrieben zu haben. Heute eben auch auf anderen Ebenen.
"The Soul Station" im Berghain: Video-Kunst im Techno-Club
Das Berghain in Berlin hat sich neben seinem Ruf als Techno-Club, auch als Kunstort einen Namen gemacht.
- Art:
- Ausstellung
- Datum:
- Ende:
- Ort:
-
Halle am Berghain
Am Wriezener Bahnhof
10243 Berlin