Juschka Spitzer: Von der Schauspielerin zur Landschaftsgärtnerin
Lange Durststrecken ohne Jobs, viel Unsicherheit, große Konkurrenz und die Frage: Warum will mich mit Mitte 50 keiner mehr auf der Bühne sehen? Diese Frage stellt sich Schauspielerin Juschka Spitzer.
Wie wagt man einen Neuanfang als Schauspielerin? Sich öffentlich äußern, eingestehen, dass es gerade nicht gut läuft, das machen nur wenige, aus Angst, dann gar nicht mehr besetzt zu werden. Eine Schauspielerin spricht offen darüber, wie ihr Jahr 2023 war. "Eigentlich habe ich nur eine Lesung im Literaturhaus in Rostock gemacht und ansonsten habe ich angefangen an einem Dokumentarfilm zu arbeiten, aber auf der Bühne: leider nein!" Zwanzig Jahre war Juschka Spitzer festangestellt an Theatern. Und sie würde nichts lieber tun als spielen, sie bewirbt sich deutschlandweit. "Ich versuche an allen Ecken durchzukommen, ob das nun Film ist oder eben freischaffend, das ist schmerzhaft, es treibt einen nachts um, man kann nicht schlafen, liegt wach und da habe ich gedacht: Was mache ich? Was gibt es für Jobs in Rostock?"
Juschka Spitzer tauscht die Bühne gegen Beete ein
Sie ist nicht nur Schauspielern, sondern auch ausgebildete Kostümschneiderin an der Staatsoper in Berlin, die Arbeit mit den Händen liegt ihr. In der Stadtverwaltung Rostock sucht man eine Gartenhelferin für fünf Monate. Juschka Spitzer stellt keinen Arbeitslosengeld-Antrag, sondern schreibt ihre Bewerbung. Beete statt Bühne, knallig orangefarbene Arbeitsmontur statt Kostüme. Wie sehr sie Exotin ist, das erzählt ihr ihre Kollegin Röschen erst später. "Im Nachhinein hat mir meine kleine Truppe gesagt, sie hätten erfahren: 'Da kommt morgen die Juschka Spitzer und die ist Schauspielerin und die kommt in eure Truppe 'Rosen und Stauden'.'
Röschen sagt mir heute noch: 'Da haben wir uns erstmal groß angeguckt und dachten: Oh Gott!'" Doch die Gartenhelferin Juschka Spitzer erarbeitet sich den Respekt, jammert nicht und nimmt die körperlich harte Arbeit an. "Was aber eine tolle Sache ist, ist, das man ein Wochenende hat. Als Schauspielerin kenne ich das nicht. Du weißt, am Freitag fällt um halb drei die Hacke, sonst in der Woche um halb vier, und du hast frei! Das hast du als Schauspielerin nicht und das entspannt. Ich habe einen neuen Takt gesucht, eine neue Sache, um mich wieder neu zu ordnen."
Die Schauspielerin sucht weiter nach Stellen an Theatern
Mittlerweile ist sie wieder arbeitssuchende Schauspielerin, denn der Job war nur als Stelle für die Sommersaison ausgeschrieben. Aber wenn sie durch Rostock fährt, dann spricht sie immer noch von ihren Beeten und schaut kritisch, wenn Gartenpflege anderswo eher lässig interpretiert wird. "Ich bin in Berlin und fotografiere einen Verkehrskreisel voller Unkraut und ich schicke das Bild an Röschen, meine Vorarbeiterin. Sie schreibt dazu: 'Wo ist das?' Und ich schicke ihr ein Bild wo drauf steht: Kottbuser Tor. Und sie antwortet: 'Da sind wir nicht zuständig!'"
Juschka Spitzer wagt immer wieder einen Neuanfang
Die 54-Jährige hat jetzt einen kleinen Job an der Rostocker Universität. Sie profitiert dabei durchaus von den Gesprächen der "Rosen und Stauden"-Truppe. Als Simulationspatientin erarbeitet sie sich eigene Rollen. Medizinstudentinnen und Studenten sollen die Kommunikation mit Patienten lernen. Kein "Tschechow", den sie so gerne mal wieder spielen würde, aber durchaus auch ein großer Auftritt. "Ein junger Student lässt mich rein und ich sage: 'Ich will nur eine Kur haben. Steht mir einfach zu! Ich bin 50 Jahre alt, mir steht eine Kur zu, da draußen sind so viele Leute, die kriegen sonst was für Geld und ich möchte jetzt mal eine Kur!' Und dann sagt der junge Mann: 'Ja aber, sie haben doch nichts!' Da sag' ich: 'Soll ich erst was kriegen oder was?'" Juschka Spitzer probiert es immer weiter, eine Rolle im Film oder auf der Bühne zu bekommen. Dazwischen wagt sie immer wieder einen Neuanfang.