Wer geht ins Museum und wer nicht?
Etwa die Hälfte der Menschen in Deutschland geht mindestens einmal im Jahr ins Museum. Doch welche Gruppen meiden die Häuser und warum? Ein Gespräch mit David Vuillaume, Geschäftsführer des Deutschen Museumsbunds.
Immer mehr Museen interessieren sich für ihr Publikum und betreiben aktiv Forschung, wer ins Museum geht und wer nicht: Nur etwas mehr als die Hälfte der Bevölkerung geht mindestens einmal im Jahr ins Museum. Ist es der Eintrittspreis, der hohe Bildungsanspruch oder der schwere Zugang? Fragen an David Vuillaume, Geschäftsführer des Deutschen Museumsbunds. Einen Ausschnitt lesen Sie hier. Das ganze Gespräch können Sie als Podcast und in der ARD Audiothek hören.
Aus welchen Gründen gehen Menschen ins Museum? Steht das Lernen im Vordergrund?
David Vuillaume: Die meisten Forschungsergebnisse zeigen über die Motivation der Besucherinnen und Besucher, dass die Leute offen und neugierig sind und Lust am Entdecken haben. Das heißt, es ist eine Form des Lernens. Aber es hat sehr viel mit Spaß, mit Entdecken, mit etwas Neuem verbunden. Das hat sich nicht verändert.
Welche Menschen gehen ins Museum und welche nicht?
Vuillaume: Die meisten Forschungsergebnisse zeigen in etwa das, was wir erwarten. Frauen sind leicht überdurchschnittlich vertreten. Es gibt einen überdurchschnittlichen Anteil an Personen mit höheren Bildungsabschlüssen. Menschen mit Migrationshintergrund sind im Vergleich zur Gesamtbevölkerung noch leicht unterdurchschnittlich repräsentiert. In Studien, die zwischen 2017 und 2019 gemacht worden sind, merken wir aber, dass der Anteil wächst. Man kann schon sagen: Fast alle Bevölkerungsgruppen kommen ins Museum. Wir sind in keiner Krise. Die Relevanz hat nicht unbedingt damit zu tun, ob die Museen die Bevölkerung komplett erreichen, sondern ob das, was angeboten wird, für das Leben der Menschen wirklich nützlich ist. Das wichtigste psychologische Merkmal, das einen Museumsbesucher oder eine Museumsbesucherin ausmacht, ist die Offenheit, die Lust am Entdecken und auch die Introspektion, die Suche nach Ruhe. Es ist die Aufgabe der Museen, diese Lust am Entdecken, diese Innovationsfreudigkeit, aber auch diese Suche nach sich selbst zu fordern. Das ist das, was das Museum anbieten kann.
Gibt es trotzdem eine oder mehrere Gruppen, die tendenziell wenig ins Museum gehen?
Vuillaume: Es gibt zwei Herausforderungen, die wir ernst nehmen müssen. Das erste ist die Arbeit in die Breite. Etwa 56 Prozent der Bevölkerung in Deutschland geht mindestens einmal im Jahr ins Museum. Wir sind ein wenig über dem Durchschnitt, aber fast die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland geht nicht ins Museum. Diese Bevölkerung sollten wir erreichen. Vielleicht nicht 100 Prozent - jeder ist frei, ins Museum zu gehen oder nicht. Aber wir könnten Zahlen erreichen, wie in den nördlichen Ländern. Dort geht 80 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal im Jahr ins Museum.
Die andere Seite ist die Tiefe. Es gibt sehr viele unterschiedliche Bedürfnisse in unserer Gesellschaft: persönliche Bedürfnisse, gruppenbezogene Bedürfnisse, gesellschaftliche Bedürfnisse. Diese Bedürfnisse sollten bis zu einem gewissen Grad berücksichtigt werden. Es gibt Leute, die einen Museumsbesuch nur zum Spaß haben wollen: sehr schnell, vielleicht nur zehn Minuten. Für diese Menschen muss man etwas anbieten. Es gibt andere Menschen, die alles lesen und stundenlang im Museum bleiben. Für die müssen wir auch etwas anbieten. Sie sollen nicht enttäuscht sein. Diese zwei Achsen, die Breite und die Tiefe haben noch wirklich sehr viel Spielraum.
Was sagt denn die Hälfte der Bevölkerung, die nicht ins Museum geht: Was ist der Grund dafür?
Vuillaume: Oft sagen sie, dass die Eintrittspreise zu hoch sind oder sie gar nicht wissen, was da angeboten wird. Deswegen werden Maßnahmen eingeleitet, wie zum Beispiel niedrigere Eintrittspreise oder Tage der offenen Tür. Dann merkt man, dass ein paar Menschen ins Museum kommen, die sonst nicht ins Museum gehen, aber das nicht die absolute Lösung ist. Warum ist das so? Für die meisten Menschen ist es einfach zu sagen: 'Die Preise sind zu hoch' oder 'Ich weiß nicht, was angeboten wird'. Viel schwieriger ist es zu sagen: 'Tut mir leid, ich fühle mich überhaupt nicht mitgenommen. Es gehört überhaupt nicht in mein Leben. Es interessiert mich überhaupt nicht'. Das sagt man nicht so einfach. Das heißt: Qualitative Studien müssen sehr tief in die Psychologie gehen, um wirklich zu verstehen, warum Menschen nicht ins Museum gehen.
Das Gespräch führte Andrea Schwyzer. Das ganze Interview können Sie in der ARD Audiothek und als Podcast hören.