Kriminalhörspiel: "Der süße Wahn" von Patricia Highsmith
1960 veröffentlichte Patricia Highsmith ihren siebten Roman mit dem Titel "Der süße Wahn". Hören Sie den Roman als Kriminalhörspiel - packend!
"Liebe ist eine Idee." Diesen Satz aus Patricia Highsmiths Notizbuch kann man nicht wörtlich genug nehmen, um ihren siebten Roman zu verstehen. Literaturwissenschaftler Paul Ingendaay rekonstruiert im Nachwort zu "Der süße Wahn" die (auto-)biografischen Referenzen: Im Sommer 1958 verliebt sich Highsmith in eine Frau, die mit einer anderen zusammenlebt.
Der süße Wahn geht seinen raschen Gang
Die damals 37-jährige Schriftstellerin flieht in ein Fantasie-Gebilde, um ihrem Liebeskummer zu entkommen: "Give me fantasies any day!" Highsmith sehnt sich detailliert diese Liebe herbei, die für sie unverfügbar bleiben wird. Dies mündet in eine Zeile, die dem gerade in Planung befindlichen Roman seinen Titel geben wird: "This sweet sickness runs its rapid course." (Dieser süße Wahn geht seinen raschen Gang.)
Die Hauptfigur ihres Thrillers, David Kelsey, hat keine verrückte Idee - er ist diese Idee: Der gutverdienende Chemiker zieht sich am Wochenende in ein Haus zurück, von dem keiner weiß. Hier hat er unter falschem Namen eine Traumwelt aufgebaut, in der er mit Annabelle zusammenlebt. Er kocht für sie, prostet ihr zu, kuschelt sich im Bett an sie. Nur ist Annabelle inzwischen verheiratet … und gar nicht da. Und eines Tages steht ihr Ehemann vor Kelseys Tür.
Hauptfigur David Kelsey wird von innen heraus verzehrt
In "Der süße Wahn" geht es Patricia Highsmith nicht um ein kühnes, trickreiches Verbrechen. Es geht ihr um die Entschlossenheit von Davids Liebe, um seine heroische Geduld und um seine Aversion gegen jede Mittelmäßigkeit, wie Paul Ingendaay im Nachwort des Romans herausarbeitet: Der Stoff "ist einer der wenigen Romane der Autorin, in denen das weibliche Objekt männlicher Sehnsucht nicht nur Vorwand oder Staffage ist, sondern die Flamme, die eine Existenz von innen heraus verzehrt."
Vielleicht ist das der Grund, warum uns dieser David Kelsey so nahegeht? Die genau konstruierte, bedrohliche Wahrhaftigkeit eines Gefühls, dem wir alle einmal erliegen könnten. Patricia Highsmith hat dies am eigenen Leib erfahren: Am 28. Januar 1959 notiert sie, mittlerweile 38-jährig und kurz nach der endgültigen Trennung von ihrer Freundin: "Mein Leben ist völlig verzweifelt. Es hängt an einem einzigen Faden."