Stand: 20.08.2015 16:40 Uhr

Die Karlsteine - ein sagenhaftes Grab

von Kora Blanken

In einem Buchenwald bei Wallenhorst, dort wo sich Vogelgezwitscher mit den Geräuschen der B 68 vermischt, steht ein sagenumwobenes Megalithengrab: die Karlsteine. Auf einer Holzbank davor sitzt Judith Franzen von der Stadt- und Kreisarchäologie Osnabrück und erzählt Unglaubliches über Karl den Großen.

Eine unglaubliche Geschichte

Die Geschichte geht so: Karl kämpfte gegen seinen ewigen Widersacher, den Sachsenfürsten Widukind, und verzweifelte schier an dem Widerstand der sächsischen Heere. Eigentlich wollte Karl den Kampf gerade aufgeben, da traten sieben Brüder aus seinem eigenen Heer hervor. Sie ermutigten Karl noch einmal, um Gottes Beistand zu bitten. Karl fasste neuen Mut und schlug mit seinem Schwert auf die riesige Deckplatte der Karlsteine. "So schier unmöglich, wie es scheint, diese Steinplatte zu zerschlagen, ist es, den Widerstand Widukinds zu brechen", soll er gesagt haben. Doch: Die Steinplatte zerbrach tatsächlich. Für Karl ein göttliches Zeichen, weiterzukämpfen. Und schlussendlich konnte er Widukind besiegen.

Sagen als Erinnerungspfeiler

Tatsächlich sind die Karlsteine ein etwa 5.000 Jahre altes Massengrab. Die Legende hingegen sei erst vor wenigen Jahrhunderten entstanden, sagt Franzen. "Sagen und Legenden versuchen immer, Ereignisse erklärbar zu machen, die scheinbar unerklärlich sind." Mit der Legende um die Karlsteine erklärten die Menschen sich damals, warum die riesige Deckplatte des Grabes in vier Teile zerbrochen auf dem Boden liegt. Doch Sagen und Legenden seien auch genutzt worden, um an bestimmte Dinge erinnern zu können, so Franzen. Somit sind die Karlsteine ein Denkmal, mit dem ein geschichtliches Ereignis konserviert wurde: Karls Kampf und Widukinds Niederlage.

Der Mythos als Geschäftsstrategie

Doch letztlich war die Sage vermutlich auch so etwas wie eine frühe Marketingstrategie. Denn ab 1856 ist der Osnabrücker Piesberg, an dessen Fuß die Karlsteine liegen, an das Eisenbahnnetz angeschlossen worden. Mit der Bahn seien nicht nur die Arbeiter des Steinwerks zum Piesberg gekommen, so Franzen, sondern auch Touristen. Für Osnabrücker Sonntagsausflügler etwa waren der Berg und das Megalithengrab ein beliebtes Ziel. "In dieser Zeit sind auch viele Ausflugslokale rund um den Piesberg entstanden", sagt Franzen. Und die profitierten natürlich von der Legende, die viele Kunden an die mystischen Karlsteine lockten.

App für Smartphone

Die Karlsteine sind einer von insgesamt neun mythischen Orten, die mit einer App erkundet werden können. Sie liefert eine Übersichtskarte, Videos und weitere Informationen zum jeweiligen Ort und stellt dem Benutzer kleine Aufgaben.

Die Legende lebt

Wer der Legende keinen Glauben schenkt, der sucht nach einer wissenschaftlichen Erklärung für die zerbrochene Steinplatte. Und die gibt es mittlerweile. "Es darf bezweifelt werden", sagt Judith Franzen, "dass es ursprünglich eine komplette Deckplatte war." Wahrscheinlich seien es von Anfang an mehrere Decksteine gewesen. Und die sind dann im Laufe der vergangenen 5.000 Jahre einfach in sich zusammengebrochen. Eine ernüchternde Erklärung. Vielleicht zu nüchtern, jedenfalls kursiert die Legende um die Karlsteine noch immer.

 

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Regional Osnabrück | 20.08.2015 | 17:00 Uhr

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