Flanieren übers Meer: Seebrücke Heringsdorf
Mit 508 Metern ist sie die längste ihrer Art in Deutschland: die Seebrücke Heringsdorf auf der Insel Usedom. 300 Meter des gesamten Bauwerks führen über das Wasser der Ostsee. Die heutige Seebrücke wurde am 3. Juni 1995 eingeweiht, steht aber in der Tradition ihrer Vorgängerin aus dem 19. Jahrhundert. Bereits seit 1893 gab es eine erste Seebrücke, eine aufwendige Holzkonstruktion mit Türmchen und Kolonaden. Sie sorgte dafür, dass Heringsdorf für seine prominenten Urlaubsgäste gut mit dem Schiff zu erreichen war. Allerdings trotzte das Bauwerk Wind und Wellen nur gut 60 Jahre lang: 1957 vernichtete ein Feuer die Kaiser-Wilhelm-Brücke.
Neubau nach mehr als 40 Jahren
Mehr als 40 Jahre musste das Seebad dann ohne Brücke auskommen. In der DDR wurde offenbar kein Wert auf den Bau gelegt, der als Symbol für die herrschaftlichen Besucher der Insel galt. Erst in den 1990er-Jahren entdeckte die Gemeinde Heringsdorf den Reiz der Seebrücke wieder. So gibt es heute - etwa 50 Meter vom ursprünglichen Standort entfernt - einen Neubau, der 50 Meter länger ist als das Original. Die Brücke steht auf Stahlpfeilern, die sechs Meter tief in den Meeresboden gerammt und mit Sand gefüllt wurden. Am Ende der Seebrücke bietet ein Restaurant mit einem auffälligen, pyramidenförmigen Dach beste Aussichten auf Meer und Küste. Der hölzerne Steg dorthin ist zum Schutz gegen Wind und Wetter überdacht. Die letzten Meter der Brücke führen hinab zum Anleger, von dem aus Ausflugsschiffe Heringsdorf mit anderen Seebädern verbinden. An Land beginnt die Seebrücke mit einem Gebäudekomplex: Zahlreiche Geschäfte, mehrere Lokale, ein Kino, das Muschelmuseum und Ferienwohnungen sind dort untergebracht. Auf der Mittelplattform haben weitere Läden eröffnet.
Vom Landungssteg zur Flaniermeile
Die heute rund 20 Seebrücken an der Ostseeküste Mecklenburg-Vorpommerns haben eine mehr als 100-jährige Geschichte. Damals waren sie nicht nur - wie noch heute - beliebte Flaniermeilen, sondern auch Landungsstege für betuchte Besucher, die auf dem Seeweg anreisten. Sie mussten nicht mehr vor der Küste in kleine Boote umsteigen und durch die Wellen zum Strand gerudert werden, sondern konnten ihre Schiffe bequem und trockenen Fußes verlassen. Heringsdorf war und ist das bekannteste und das älteste Bad auf der Insel Usedom. Forstmeister George Bernhard von Bülow ließ 1824 in dem kleinen Fischerort die erste private pommerische Badeanstalt am Strand errichten. Später folgten zahlreiche klassizistische Villen. Sie zogen immer mehr wohlhabende Gäste in den Ort und die Umgebung. Im "Nizza des Ostens" trafen sich Persönlichkeiten wie Theodor Fontane, Maxim Gorki und Leo Tolstoi. Als Ausdruck des feinen Lebensstils schillerten die eleganten Prachtbauten wie die Villa Staudt oder die Villa Oppenheim, wo einst der Künstler Lyonel Feininger residierte.
Nach der Wende wurden zahlreiche Villen restauriert und erstrahlen in neuem Glanz. Die kilometerlangen Strände der Insel locken heute in jedem Jahr Zehntausende Urlauber nach Usedom.