Vicky Krieps: Von Sissi zu Ingeborg Bachmann
Als Newcomerin spielte sie neben Daniel Day-Lewis in "Der seidene Faden", in "Corsage" war sie Sissi. In einem neuen Film verkörpert Schauspielerin Vicky Krieps jetzt die legendäre Schriftstellerin Ingeborg Bachmann. Ein Porträt.
Wir treffen Vicky Krieps zum Interview in einem Berliner Hotel. Sie hat ihre Kindheit in Luxemburg verbracht. Ihr Vater war Direktor im Kulturministerium, ihr Opa wichtiger Politiker. Hatte sie ein strenges Elternhaus? "Nein. Es war ein großes, buntes Durcheinander. Wo alle Türen und Fenster immer offen waren. Was sehr anstrengend sein konnte. Denn manchmal will man auch einfach nur irgendwo ankommen."
Sie war zunächst Schauspielschülerin in Zürich, bekam dann erste Kinorollen - und war eigentlich zu schüchtern für dieses Geschäft, sagt sie. Ihre Schwester fotografiert sie einmal als Astronautin: eine, die ins Unbekannte aufbricht, aber bei sich selbst bleibt dabei.
"Der seidene Faden": Am Set mit Daniel Day-Lewis
Für den Film "Der seidene Faden" besetzt Starregisseur Paul Thomas Anderson sie 2017 neben einem der größten Schauspieler unserer Zeit: Daniel Day-Lewis. "Man ist ja sehr unwichtig und klein und unbekannt, und alle anderen sind sehr berühmt und sehr wichtig", erinnert sich Krieps an die Dreharbeiten. "Sich dann aber treu zu bleiben und auf diese Stimme zu hören, die einem plötzlich sagt, wo etwas hin will, ist nicht so einfach."
Sie hat auf sich gehört. Zum Beispiel in einer Szene, in der ihre Figur mit dem kontrollbesessenen Mann streitet. Es ist gleichzeitig eine Auseinandersetzung zwischen Newcomerin und Weltstar. Krieps improvisiert einfach, statt dem Drehbuch zu folgen. "Ich weiß, wie es sich anfühlt, Angst zu haben, ganz doll traurig zu sein, allen Glauben zu verlieren und ganz alleine zu sein", so die Schauspielerin. "Ich kenne diese Gefühle so gut, dass ich meinen Figuren mitgebe: Genau deshalb werden wir jetzt nicht aufgeben!"
Rollen als Sissi und Ingeborg Bachmann: Frauen, die kämpfen
Die Sissi, die sie in Marie Kreutzers Historiendrama "Corsage" (2022) verkörpert, ist kein herziges Madel, sondern eine Frau, die ihre Rolle nicht mehr spielen will - und immer weiter performen muss. Im neuen Film "Ingeborg Bachmann - Reise in die Wüste" (Kinostart: 19. Oktober) spielt sie wieder eine Frau, die kämpft. Über die Rolle als Ingeborg Bachmann sagt Krieps: "Manchmal schafft sie es, in einem Wort eine Welt aufzumachen. Oder die Welt untergehen zu lassen in einem Wort! Dahinter stand eine Frau, die ganz zerbrechlich war - und vielleicht an sich selbst zerbrochen ist."
Die letzte Frage an Vicky Krieps: Wo ist für dich Zuhause? "Ich sage immer: hier", antwortet sie und zeigt auf ihr Herz. "Weil das kann ich mitnehmen. Und solange ich das habe, kann mir nichts passieren im Leben. Aber es hat auch etwas verändert in mir - ich hätte jetzt schon gerne ein Zuhause. Aber ich weiß noch nicht, wo das ist." Und dann muss sie weiter, zum nächsten Interview. Es war eine schöne Begegnung.