Sundance-Festival: Was macht einen guten Independent-Film aus?
In Utah beginnt heute das Sundance-Festival, ein wichtiges Festival für Independent-Filme. Auch der deutsche Beitrag "Maurice der Kater" ist dabei. Wie steht es um den unabhängigen Film in Deutschland?
Ein Gespräch mit Helge Albers, dem Geschäftsführer der MOIN Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein.
Wie wichtig ist aus Ihrer Sicht das Treffen beim Sundance-Festival?
Helge Albers: Sundance ist für den unabhängigen Film ein sehr wichtiges Jahresauftakttreffen. Da werden die ersten großen Deals gemacht und die ersten spannenden Projekte des Jahres geben den Auftakt, setzen den Ton fürs Jahr. Insofern ist das ein ganz wichtiges Treffen für die Branche.
Auch ein von Ihnen geförderter Film ist dabei: "Maurice der Kater", ein Animationsfilm, eine Terry Pratchett-Verfilmung. Wie kommt diese Produktion nach Utah?
Albers: Der Film ist produziert worden von der Ulysses Filmproduktion bei uns aus Hamburg. Wir als MOIN Filmförderung durften dort tatkräftig unterstützen und freuen uns sehr, dass der Film für Sundance ausgewählt wurde.
Das ist ein ganz harter Wettbewerb mit mehreren tausend Einreichungen - insofern ist das für "Maurice der Kater", der dort als einziger deutscher Film in diesem Jahr läuft, schon ein Qualitätssiegel. Wir sind extrem stolz darauf, dass der Film dort läuft.
Gibt es in Deutschland eigentlich einen wirklich unabhängigen Film, wenn doch vieles gefördert wird, auch gefördert werden muss?
Albers: In Deutschland gibt es einen unabhängigen Film in dem Sinne, dass es ein Arthouse-Kino gibt, und Arthouse-Kino versteht sich als unabhängiges Filme-Schaffen. Gleichzeitig braucht jeder Film Geld. Wir als Filmförderung sind auch dafür zuständig, dass Filme gemacht werden können und Rückenwind bekommen. Und so verstehen wir uns auch. Wir versuchen, Filme möglich zu machen und den unabhängigen Geist des Filmemachens zu unterstützen.
Sind da die Grenzen fließend? Oder wie habe ich mir Filmförderung vorzustellen?
Albers: Der deutsche Kinofilm hat, wie jeder andere Kinofilm auch, immer ein Spektrum: von einem künstlerischen Filmansatz hin zu einem kommerziellen. Wir kennen in Deutschland Filme wie "Fack ju Göhte" und Ähnliches, die ganz klar ein sehr großes, breites Publikum ansprechen möchten. Das ist super, und das freut uns sehr.
Gleichzeitig gibt es auch einen sehr künstlerisch orientierten Film, der ein Spektrum ausleuchtet, was bis zum Experimentalfilm läuft. Alles das ist Kino und alles das ist auch Teil unseres Förderspektrums. Und wir bei der MOIN Filmförderung haben zwei Gremien, die sich damit beschäftigen, wie diese Filme finanziert werden, wie sie künstlerisch aufgestellt werden, sodass wir einerseits eine hohe Kompetenz haben im Blick auf kommerzielles Kino und andererseits im Blick auf künstlerisch hochwertiges Kino.
Helge Albers: "Die Serie ist wichtiger Motor für die Filmwirtschaft"
Wie wichtig ist eigentlich noch der Kinofilm für die Filmindustrie? Geht nicht auch viel Geld in die Serien? Und ist das vielleicht auch gar nicht so schlecht?
Albers: Das schließt sich nicht aus. Zum einen sehen wir den Kinofilm nach wie vor als einen wichtigen Mix in unserer Film- und Gesamtkultur und als ein wichtiges Angebot für das Publikum. Zum anderen ist in der Tat die Serie auf dem Vormarsch oder hat vielleicht schon ihren Zenit erreicht.
Sie ist ein wichtiger Motor für die Filmwirtschaft, bindet viele Arbeitskräfte und macht starke Angebote an die Kreativen. Insofern leben diese beiden Welten parallel und durchdringen und befruchten sich auch gegenseitig. Insofern sehe ich da keinen Widerspruch.
Kann Streaming gerade bei den Independent-Filmen auch eine fruchtbare Ergänzung sein, vielleicht auch mal etwas auszuprobieren?
Albers: Wenn es kreative Freiräume lässt, dann ist das ein spannendes Angebot für die Macher und für die Akteure und setzt in gewisser Weise auch das Ökosystem Kinofilm unter einen positiven Konkurrenzdruck. Wenn wir möchten, dass die tollen Kreativen fürs Kino tätig sind, dann müssen wir als Förderung und als Gesamtökosystem Kinofilm auch gute Angebote machen können. Das befruchtet die Welt und ist gut für die Zuschauer*innen.
Was macht für Sie persönlich einen richtig guten Independent-Film aus?
Albers: Eine sehr individuelle, subjektive Sicht auf die Welt, eine besondere Filmsprache und eine originelle Themenwahl sind wichtige Marker in diesem Bereich. Es ist wichtig, dass wir dem Publikum immer wieder ein gutes Argument geben, jetzt sofort das Haus zu verlassen, ins Kino zu gehen und dort zehn Euro auf die Kinotheke zu legen. Das muss ein guter Kinofilm leisten können, und das wird er vor allen Dingen dann tun, wenn er besonders ist, wenn er sich absetzt, wenn er neue Geschichten erzählt und das Publikum immer wieder einlädt und herausfordert.
Das Interview führte Eva Schramm.