Die Göttinger Baptistenkirche ist mit einem Baugerüst eingekleidet © NDR Kultur Foto: Catherine Wenk

Umbau in Göttingen: Früher Kirche - bald Kino

Stand: 03.04.2019 09:20 Uhr

Parkhäuser werden zu Wohnungen, alte Fabrikhallen zu Kreativräumen: Die neue Nutzung von städtischen Gebäuden liegt im Trend, auch in Göttingen: Aus einer alten Kirche soll 2019 dort ein Kino werden.

von Catherine Wenk

Die gleichmäßigen Hammerschläge kündigen es schon von Weitem an: Hier wird gearbeitet. Was zunächst nach normalem Baustellenlärm klingt, erweist sich beim Blick auf das Gebäude als ungewöhnliches Bauprojekt, oder anders ausgedrückt als Transformation: Hier wird eine Kirche zum Kino.

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Investor Gerhard Rocznik im entkernten Kirchenraum der Göttinger Baptistenkirche, in dem ein Kino entstehen soll © NDR Kultur Foto: Catherine Wenk
Mit viel Geld, Zeit und Herzblut begleitet Investor Gerhard Rocznik den Umbau der Kirche.

Von der Rückseite führt ein Gang zum Herzstück des Gebäudes, dem ehemaligen Kirchensaal. Schlicht gehalten ist der Raum mit hohen Decken und einer Balustrade. Verzierte Holzbalken dienen als Stützpfeiler. Das historische Dekor bildet einen Kontrast zum restlichen Rohbau. Inmitten des Saals steht Gerhard Rocznik, der Investor des Projekts. Im großen Kirchraum, wo einst gebetet wurde, sollen bald Filme laufen: "Eine Bühne wird von uns noch erstellt. Dann beginnen wir mit der Verkabelung der Wände für die Beleuchtungen. Danach können wir die Wände komplett verputzen", erklärt Rocznik die einzelnen Schritte der ungewöhnlichen Umwandlung.

Kirche stand 30 Jahre lang leer

1902 ist die Baptistenkirche in der Göttinger Bürgerstraße unweit der Innenstadt erbaut worden. Nach dem Auszug der Baptisten-Gemeinde 1984 wurde das Gebäude entwidmet und war einige Zeit ein Jugendzentrum. Dann stand es gut 30 Jahre lang leer. Mit der Gründung des Vereins "Filmkunstfreunde Göttingen" wurde 2010 die Idee geboren, die Kirche in ein Kino umzuwandeln. Lange war der Verein auf der Suche nach einem Investor - und fand schließlich Gerhard Rocznik. Mehr als 1,2 Millionen Euro investiert der 66-Jährige in das Projekt. Geld verdienen wolle er damit nicht. Der Umbau mache ihm einfach Spaß, erklärt er.

Außerdem geplant: ein Bistro, ein Café und Wohnungen

Die Göttinger Baptistenkirche ist mit einem Baugerüst eingekleidet © NDR Kultur Foto: Catherine Wenk
In der leer stehenden Göttinger Kirche sollen ein Kino, Gastronomie und Wohnungen entstehen.

Vom großen Kirchensaal geht es zurück in den hinteren Bereich des Gebäudes. Holzbretter lehnen an der Wand, eine Schubkarre mit Bauschutt steht in der Ecke. Schon bald soll hier ein Bistro entstehen: "Wir haben einen Thekenbereich und ein Café. Das ist sehr großzügig hier. Wir haben fast 100 Quadratmeter Foyerbereich - das ist schon ganz ordentlich für so ein 120-Personen-Kino", findet Rocznik. Über die neu gemauerte Treppe geht es weiter nach oben. In der ersten und zweiten Etage lässt Rocznik mehrere Wohnungen bauen: Studenten sollen dort später einmal einziehen. Auch hier sind die Roharbeiten bereits abgeschlossen. In den nächsten Wochen sollen die Leitungen verlegt werden.

Handwerker versuchen, alte Formen zu erhalten

Momentan werde vor allem an einer Stelle gearbeitet, sagt Gerhard Rocznik, und zeigt nach oben. In luftiger Höhe, auf dem Dach, wird es wieder lauter. Die Dachdecker sind damit beschäftigt, den zehn Meter hohen Kirchturm mit Blech zu verkleiden: "Das ist alles Handarbeit hier in dem Projekt, weil die alten Formen erhalten bleiben sollen. Man soll ja so etwas nicht gleich abreißen, denn was einmal weg ist, ist für immer weg", weiß einer der Handwerker und fügt hinzu: "Die Dachdecker in 100 Jahren werden Augen machen und sagen: Ok, die Leute in 2019, die konnten ja doch noch was."

Erste Film-Aufführungen Ende 2019 geplant

Ein Bagger steht im Innenraum der Göttinger Baptistenkirche © NDR Kultur Foto: Catherine Wenk
Vom Kirchen- zum Kinosaal: Möglichst viele alte Bauelemente sollen erhalten werden.

Wenn alles nach Plan läuft, sollen Ende des Jahres die ersten Filme im Kirchensaal laufen. Das Göttinger Programmkino Lumière und die Filmkunstfreunde werden das neue Kino zusammen betreiben. Zeigen wollen sie dort vor allem Filme abseits des Mainstreams. Die Nachfrage nach dieser Art von Filmen sei in Göttingen groß, sagen die Filmkunstfreunde. Als einziges Programmkino in der Stadt erreiche das Lumière oft seine Kapazitätsgrenze. Es bestehe also Bedarf für einen weiteren Kinosaal. Dass der nun in einer ehemaligen Kirche entstehen wird, passt für Matthias Sonnenburg, Vorsitzender der Filmkunstfreunde, gut: "Das Programmkino ist ja eine Kultur, die auf ganz besondere Weise vielleicht auch Menschlichkeit transportieren möchte. Und da finden wir, dass das eine würdige Nachfolgenutzung für die Kirche ist", meint Sonnenburg.

Am 4. Mai werden sich die Pforten der ehemaligen Kirche zum ersten Mal für Besucher öffnen: Dann feiern Investor und Filmkunstfreunde Bergfest.

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Matinee | 03.04.2019 | 09:20 Uhr

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