Frauke Finsterwalder über "Sisi & ich": "Sisi war Popstar ihrer Zeit"
Diese Woche läuft der Film "Sisi & ich" im Kino an. Er zeigt die Freundschaft der Kaiserin Österreichs mit ihrer Hofdame Irma. Ein Gespräch mit Regisseurin Frauke Finsterwalder über Schauspielerin Sandra Hüller, Popmusik und Kostüme aus den 60ern.
Frauke Finsterwalder bringt seit "Finsterworld" erstmals wieder einen Film ins Kino. Mit ihrem Lebenspartner, Schriftsteller Christian Kracht, hat sie das Drehbuch für "Sisi & ich" geschrieben, für den von Anfang an Sandra Hüller als Hauptdarstellerin besetzt war. Diese trifft als adelige Hofdame Irma in Griechenland auf Kaiserin Sisi, gespielt von Susanne Wolff, die es ihrem Umfeld nicht einfach macht. Sie duldet in der Abgeschiedenheit einer griechischen Insel weder "Männer noch dicke Menschen" und lässt die neue Hofdame Irma gleich nach ihrer Ankunft über Hürden springen, Strecken laufen und an Ringen turnen - all das, ohne einen Schluck Wasser zu trinken. Die Produktion ist viermal für den Deutschen Filmpreis nominiert, so darf Sandra Hüller auf die Lola für die Beste Hauptrolle hoffen. Ein Gespräch mit der Regisseurin und Ko-Drehbuchautorin Frauke Finsterwalder, die ihren Film jüngst auf der Berlinale vorgestellt hat.
Sie haben auf der Berlinale-Pressekonferenz zu "Sisi & ich" gesagt, Sisi sei so etwas wie der Popstar ihrer Zeit gewesen. Wie meinen Sie das?
Frauke Finsterwalder: Sie war unglaublich populär. Frauen in ganz Europa wollten sich anziehen wie sie. Es wurde geguckt: Wo kauft sie ihre Kleider, was für Diäten macht sie? Und zwar so sehr, dass es für sie unglaublich unangenehm war, weshalb sie sich später ferngehalten hat von Wien und dem ganzen Trubel.
Sisi ist als Figur in vielen Filmen verkitscht worden. Wollten Sie mit Ihrem Film das Bild der "Sissi"-Filme mit Romy Schneider konterkarieren?
Finsterwalder: Die Filme mit Romy Schneider sind für sich gesehen perfekt. Sie erzählen genau das, was sie erzählen wollen. Es ist in vielerlei Hinsicht großes Kino: Eine sehr verkitschte Liebesgeschichte zwischen ihrem Franzl und Sisi.
Es macht für mich keinen Sinn, so etwas noch einmal zu machen. Ich musste etwas finden, das mich interessiert an den Figuren. Das war in diesem Fall weniger Sisi, sondern Irmas Beziehung zu ihr und was dann zwischen diesen beiden Frauen passiert.
Es gibt schon sehr viele recherchierte Aspekte zu dem Leben dieser Kaiserin. Wann war der Punkt, wo bei Ihnen das Interesse dazu angefangen hat?
Finsterwalder: Ich fand die Sissi-Filme selbst als Teenager schrecklich. Als ich sie jetzt noch einmal gesehen habe, dachte ich "wow, das ist doch toll", und habe gedacht, dass es doch eine gewisse Perfektion gibt in dem ganzen Stil. Weil ich jetzt auch die Traurigkeit von Romy Schneider sehen konnte, die wir aus ihrem späteren Leben kennen. Mich hat das berührt, die Filme zu sehen und ich habe angefangen, über Sisi zu lesen, weil ich nichts über sie wusste. Ich komme aus Norddeutschland, das war nie Thema. In meinem Umfeld fand man die Filme schwierig. Dann habe ich gelesen, dass Sisi ermordet wurde, das wusste ich gar nicht. Aber es war ganz klar, dass ich kein Biopic über sie machen will. Oder dass sie mich nicht genug interessiert als Person, um sie in den Vordergrund meines Films zu stellen.
Was mich viel mehr interessiert hat, war, was mit Irma passiert, die in den Bann von dieser Frau gerät und sich in ihr verliert, sich aber auch durch das Zusammentreffen mit Sisi befreit. Mein Film ist vor allem auch eine Befreiungsgeschichte.
Man erfährt wenig über Irma. Was weiß man über diese reale Hofdame?
Finsterwalder: Es gab zwar eine Irma Sztaray. Die war wirklich Hofdame für Sisi, die hat Tagebuch geschrieben, das ist veröffentlicht. Es gibt auch zwei andere Tagebücher von Hofdamen. Die Irma in meinem Film ist allerdings absolute Fiktion. Die Rolle war von vorneherein für Sandra Hüller geschrieben und Irma ist Sandra Hüller. Das hat mit historischen Umständen sehr wenig zu tun.
Ich hatte Sandra das Drehbuch geschickt und wusste, ich kann es ohne sie nicht machen. Dann hat sie mich angerufen und gesagt, "endlich darf ich mal ein Kind spielen" und hat sich wahnsinnig gefreut.
Da wusste ich, "ja, sie versteht, worum es geht". Auch, als Susanne und Sandra zusammen den fertigen Film gesehen haben: Die beiden sind ja erwachsene Frauen in eben solchen Körpern, sie benehmen sich aber ganz oft wie Dreizehnjährige, sowohl in der Art und Weise, wie sie miteinander Spaß haben, aber auch in den Konfliktsituationen. Wenn Sisi die Luft anhält, wenn ihr etwas nicht passt, wenn Irma dann weggeht und sagt, "du blöde Kuh". Das hat etwas sehr Kindliches.
In der Beziehung der beiden Frauen schwingt manchmal etwas Romantisches mit, es wird aber nie bestätigt. Gab es den Gedanken, das konkreter zu machen?
Finsterwalder: Mir war das ein großes Anliegen, den Begriff "Liebe" offen zu definieren, weil in der heutigen jungen Generation die sexuelle Ausrichtung eigentlich fast gar keine Rolle mehr spielt. Alles wird ausprobiert und es gibt viel weniger dieses Sich-Festlegen auf eines, was früher auch ein irrer Druck war, den zum Glück diese junge Generation nicht mehr hat.
Im Presseheft steht, Sie seien vom Erzählerischen auch beeinflusst vom Kino des Hayao Myazaki. Bei dem es nicht Gut und Böse gibt, sondern eben Figuren differenziert sind und beides haben. Wie war der Einfluss Myazakis auf Ihren Kinofilm?
Finsterwalder: Ich bin aufgrund meiner deutschen Herkunft aufgewachsen mit deutschen Märchen und habe meiner Tochter, als sie klein war, diese Märchen vorgelesen. Ich fand es unerträglich, wie Frauen dargestellt werden. Ich hatte das Gefühl, dass ich es fast nicht aushalten kann, dass es nur Gut oder Böse und kaum eine Erleichterung gibt. Außer, dass die böse Person stirbt. Deswegen habe ich Myazaki immer sehr geschätzt. Weil ich es wichtig finde, dass Figuren beide Seiten, schwarz und weiß, abbilden. Sisi ist ja in dem Film nicht immer nett, aber sie hat auch etwas unglaublich Faszinierendes und Mitreißendes. Genauso entwickelt Irma auch dunkle Seiten und verrät Sisi an einem Punkt im Film. Das finde ich wichtig, um den Figuren folgen zu können. Es darf nie eindeutig sein.
Musik wird hier durchgängig anachronistisch eingesetzt, man hört moderne Songs, die nicht zur Epoche passen. An einer Stelle ist mir ein Lied aufgefallen, das ich als ukrainisches Weihnachtslied kenne. Inwiefern war es ein Zufall, dass Sie einen ukrainischen Song benutzt haben?
Finsterwalder: Ich kannte das ukrainische Lied nicht, ich kannte nur das Lied "Carol of the Bells“. Das ist einer der wenigen Fälle in dem Film, wo Dinge anders verlaufen sind, als ich sie eigentlich geplant hatte. Wir wollten "Carol of the Bells" verwenden, die Übersetzung des ukrainischen Liedes. Die Rechte dafür waren so irrsinnig teuer. Die Rechte für den Text, nicht die Musik. Ich wusste nicht, dass es ein ukrainisches Lied ist. So kam das zustande, kurz vor dem Ausbruch des Krieges. Ich finde die ukrainische Sprache sehr schön. Dazu war das Stück auch Vorlage für das "Joker"-Theme bei "Batman". Das passt zu Sisi.
Ich kommen aus dem Popzusammenhang. Musik ist meine Leidenschaft. Sie ist der erste Ideengeber für Charaktere. Und ich höre noch weiter viel Musik am Set. Oder spiele auch Schauspielern und Schauspielerinnen Musik vor, bevor wir Szenen drehen. Dass wir gesagt haben, wir beziehen uns nicht auf das 19. Jahrhundert, hat wiederum die Kostüme beeinflusst. Alles kommt eher aus den 60er-, 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts. Auch dass wir auf 16 Millimeter gedreht haben, um diesen sehr rauen Look zu haben.
Sie haben also auch Anachronismen in den Kostümen, wie sind Sie da herangegangen?
Finsterwalder: Ich habe ein großes Problem mit den Kleidern des 19. Jahrhunderts. Das ist ästhetisch nicht so interessant. Aber ich finde, dass man einer Frau wie Susanne Wolff auch nicht glaubt, in diesen riesenlangen Röcken zu reiten. Ich habe irgendwo in einer kleinen Notiz gelesen, dass Sisi Hosen trug beim Reiten. Das hat mich zusammen mit der österreichischen Kostümdesignerin Tanja Hausner ermutigt, zu sagen "okay, wir suchen jetzt nach Frauenmode, aus den 60er- und 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts".
Sie sind in Hamburg geboren und leben mittlerweile im Ausland. Wie oft schauen Sie in der alten Heimat vorbei?
Finsterwalder: Selten. Meine Tochter war ein paar Mal bei den Großeltern in Hamburg. Aber ich bin dort immer gerne in Hamburg, ich habe noch alte Freunde dort, und es gibt sogar jemanden, der in einem Film mitgearbeitet hat, mit dem ich zur Schule gegangen bin in Hamburg, der ist Herstellungsleiter. Das ist ein alter Freund, der mich kennt, seit ich zehn Jahre alt bin. Ich fühle mich Hamburg sehr verbunden.
Das Gespräch führte Patricia Batlle, NDR Kultur.