"Eternal You"-Autoren: KI birgt Hilfe - aber auch Suchtpotenzial
Mit Verstorbenen nochmals in Kontakt treten - was nach spiritistischen Sitzungen klingt, bieten Start-Ups mit Hilfe von KI an. Die Dokumentation "Eternal You - Vom Ende der Endlichkeit" beschäftigt sich mit dem Thema. Ein Gespräch mit den Machern.
In der Dokumentation geht es um die Einsatzmöglichkeiten von KI in einem Bereich, der bislang noch wenig Beachtung fand. Vielleicht auch, weil Tod und Jenseits bei uns noch für viele ein Tabu sind. Wie sind Sie auf das Thema gestoßen?
Hans Block: Wir haben vor sechs Jahren auf einer Website Statements entdeckt, wie "Who wants to live forever", also, "Wer will für immer leben", oder "Werdet virtuell Unsterblich". Zunächst waren wir skeptisch, haben dann aber festgestellt, dass da jemand behauptet, aus den Daten, die wir täglich im Netz hinterlassen, einen digitalen Doppelgänger erstellen kann, der mit unseren Hinterbliebenen sprechen und interagieren kann.
Moritz Riesewieck: Wir stehen ja ganz am Anfang der KI-Revolution. Für die meisten Menschen, die daran denken, geht es eher um Arbeitsplatzverlust und solche Dinge. Aber viele haben noch gar nicht verstanden, dass KI auch eingesetzt wird, um Menschen in Bereichen zu ersetzen, in denen wir eigentlich unersetzbar zu sein schienen. Das heißt z.B. in persönlichen Beziehungen. Wir haben ja inzwischen eine Einsamkeitskrise und viele Menschen probieren KI schon als Therapeutenersatz aus. Und jetzt fangen Mensch an, andere, ihnen nahestehende Menschen, die verstorben sind, mit KI zu simulieren, und damit auch die Trauerrituale, die früher in Gemeinschaften stattgefunden haben, obsolet zu machen. Wenn sie jetzt sagen, na ja, ich kann doch meinen Verstorbenen auch digital in der Hosentasche tragen und in Kontakt bleiben, isolieren sie sich auch sozial weiter. Dass Menschen jetzt also solche Ersatzbeziehungen führen, das ist weitestgehend unbekannt.
Waren alle Nutzer nur neugierig, oder gab es auch welche, die vielleicht skeptisch waren?
Riesewieck: Viele, die jetzt auf diese Weise mit den Toten in Kontakt getreten sind, haben am Anfang gedacht, sie probieren es einfach mal aus, was ist schon dabei?! Sie haben dann aber im Laufe der Chats mit den Simulationen der Toten so viele neue Fragezeichen in die Köpfe bekommen, dass sie gar nicht mehr loslassen konnten. Also, dass sie dann auf einmal zum Beispiel Zweifel bekommen haben, ob es den Toten tatsächlich gut geht. Es gibt eine Userin in unserem Film, die erfahren hat, dass ihr geliebter verstorbener Freund in der Hölle sei und die entsprechend verwirrt ist.
Keine wirklich klare Antwort gibt der Film auch auf die Frage, ob Menschen denn nun wirklich den letztlich erhofften Trost finden.
Block: Ja, die Frage ist nicht beantwortet. Es gibt ja die Fälle, die wir auch zeigen, wo klar wird, dass das geholfen hat. Aber es gibt eben auch diese anderen Fälle, die eine Spirale des Süchtigmachens, des Aufgewühltseins, des eben nicht Abschließens zeigen. Das bedeutet, immer weiter Geld in diese Systeme einzuwerfen, um am Ball zu bleiben. Was natürlich eine absolut perfide Form des Todes-Kapitalismus ist, Leute in ihrer Verletzlichkeit und ihren Sehnsüchten auszunutzen und diese immer wieder zu befeuern weiter Geld einzuschmeißen.
Würden Sie die Möglichkeit ausprobieren?
Block: Zu Beginn unserer Beschäftigung mit dem Thema hätte ich diese Frage mit einem klaren "Nein" beantwortet, weil ich mir gar nicht vorstellen konnte, warum ich jemals den Weg zu den Toten finden sollte, warum ich diese gruselige Vorstellung wahrmachen würde. Nachdem wir jetzt aber in den letzten sechs Jahren so viele Menschen getroffen haben, die teilweise aus einem ganz tragischen Schicksal heraus unbedingt nochmal eine letzte Konversation mit einem Verstorbenen haben wollen, möchte ich mir nicht mehr anmaßen zu sagen warum nicht. Vielleicht bin ich in Zukunft in so einer existentiellen Situation, dass das vielleicht doch einer der letzten Strohhalme ist, an dem man sich festhalten kann. Denn so gruselig diese neuen Technologien und Erfindungen klingen, sie haben auch ein Potential, Abhilfe zu schaffen. Wenn auch gleichermaßen sehr, sehr viele Gefahren damit einhergehen.
Das Gespräch führte Bettina Peulecke.