Doku "Eternal You": Wie KI Verstorbene zum Leben erweckt
"Eternal You - Vom Ende der Endlichkeit" ist ein aufrüttelnder Dokumentarfilm, der den einen das Blut in den Adern gefrieren, den anderen das Herz hoffnungsvoll höher schlagen lassen dürfte.
Die Regisseure und Autoren Moritz Riesewieck und Hans Block haben mit "The Cleaners" einen weltweit hochgelobten Dokumentarfilm gemacht. Darin geht es um traumatisierte philippinische Content Moderatoren, die verstörende Inhalte für Firmen wie Facebook in den sozialen Netzwerken löschen. Ihre neue Dokumentation bleibt in der virtuellen Welt angesiedelt und beschäftigt sich mit den Möglichkeiten Künstlicher Intelligenz, die von Start-Ups im Bereich der Trauer um Verstorbene eingesetzt wird.
Unsterblichkeit und Wiedergeburt dank Künstlicher Intelligenz
Früher war es ziemlich aufwendig, wenn man versuchen wollte, mit den Toten in Verbindung zu treten. In analogen Zeiten bedurfte es dazu zum Beispiel einer Séance oder spiritistischen Sitzung unter Mitwirkung eines Mediums, das Nachrichten aus dem Jenseits empfangen oder mit Verstorbenen kommunizieren sollte. Schwebende Gegenstände und verrückte Stühle waren beliebte Begleiterscheinungen, die als Beweise für die Verbindung zum Jenseits dienten. Heute scheint es einfacher zu sein, sozusagen per Knopfdruck, und das moderne Medium heißt KI.
Bild- und Textgeneratoren können mit Hilfe von KI Verstorbene in der digitalen Welt neu zum Leben erwecken. Start-up-Unternehmen weltweit bieten Trauernden Gelegenheit, ein letztes Gespräch zu führen oder einen letzten Blick auf eine geliebte Person zu werfen, Trost und einen Abschluss zu finden. Die Dokumentation zeigt Beispiele von Unternehmen und Usern, lässt Ökonomen und eine Soziologin zu Wort kommen, für die Künstliche Intelligenz dasselbe verspricht wie Religion: Unsterblichkeit und Wiedergeburt in einer anderen Form.
Die Erfüllung eines uralten Menschheitstraumes?
Fragen formulieren sich im Kopf der Zuschauer und auf der Leinwand: Liegt in der vermeintlichen digitalen Unsterblichkeit nun die langersehnte Erfüllung eines uralten Menschheitstraumes? Wem dient am Ende dieses Produkt am meisten, und wem gehören eigentlich die Daten?
Nicht personifiziert im Film, aber dennoch häufig vorkommend sind auch Beispiele von Entwicklungen, die die Beteiligten in keiner Weise zu einem trostvollen Abschluss bringen, sagt Autor und Regisseur Moritz Riesewieck: "Es gibt auch Fälle, in denen Menschen Geheimnisse von den Toten über diese Chats erfahren, die sie in große Verzweiflung stürzen. Oder die daraufhin unbedingt herausfinden wollen, was hinter dieser Äußerung des vermeintlichen Wiedergängers der Toten steckt. In vielen Fällen ist es auch der Anfang einer sehr langen, süchtig machenden und zum Teil niemals endenden Auseinandersetzung mit den Toten, statt sich damit abzufinden, dass sie gegangen sind."
"Death Capitalism": Ein vielversprechender Trend
So werden Kunden natürlich auch bei der Stange gehalten, die Verbindung darf ja nicht abreißen. Eine lukrative Geschäftsidee, in den USA schon "Death Capitalism" genannt. Im Film werden vergleichsweise kleine Unternehmen gezeigt, aber schon sind auch die Tech-Giganten dabei, sich ihren Anteil am vielversprechenden neuen Trend zu sichern. Die Frage, ob er denn diese neue Möglichkeit nutzen würde, findet Regisseur Hans Block "gar nicht so einfach zu beantworten, weil sich das im Laufe unserer Beschäftigung an diesem Film tatsächlich verändert hat. So gruselig diese neuen Technologien und Erfindungen klingen, haben sie auch ein Potential, Abhilfe zu schaffen. Wenn auch gleichermaßen sehr viele Gefahren damit einhergehen."
Zwischen Interviews sind Chat-Ausschnitte mit digitalen Untoten, Aufnahmen aus den Laboren der Start-Ups und ihrer Gründer, sowie virtuelle Abbilder der Avatare montiert. Dabei wird jeder Sichtweise genügend Raum gegeben. Facettenreich wird eine unaufhaltsame Entwicklung gezeigt, die zwingend nach gesellschaftlicher und politischer Diskussion verlangt.
Ein ausgewogener und aufrüttelnder Dokumentarfilm
Zu dem Thema "Kontakt zu den Toten", ob überhaupt möglich, und wenn ja wie und in welcher Form, gibt es sehr vielfältige Ansichten. Beim Thema KI im Einsatz fürs Seelenheil zeichnet sich bereits eine Polarisierung ab. Zu "Eternal You - Vom Ende der Endlichkeit" dürfte es keine zwei Meinungen geben: Ein bemerkenswerter, ausgewogener und aufrüttelnder Dokumentarfilm, der den einen das Blut in den Adern gefrieren, den anderen das Herz hoffnungsvoll höher schlagen lassen dürfte: ebenso wichtig wie wirkmächtig.
Eternal You - Vom Ende der Endlichkeit
- Genre:
- Dokumentarfilm
- Produktionsjahr:
- 2024
- Produktionsland:
- Deutschland, USA
- Regie:
- Hans Block und Moritz Riesewieck
- Länge:
- 87 Minuten
- Kinostart:
- 20. Juni 2024