Der Wismarer Nosferatu: "Wir bleiben das Original"
Als Nosferatu verkleidet führt Micha Glockemann Besucherinnen und Besucher zu den Original-Drehorten von Friedrich Wilhelm Murnaus Stummfilmklassiker. Die tauchen in der Neuverfilmung nicht auf. Schade, meint er.
Kein Nosferatu im Wismarer Kino. Das hat zwar vier Säle, aber in keinem davon ist die Neuverfilmung von Robert Eggers zu sehen. Micha Glockemann ist enttäuscht. Der Stadtführer zeigt als Graf Orlok verkleidet Besucherinnen und Besuchern die Original-Drehorte in der Hansestadt.
Nur wenige kennen den Stummfilmklassiker "Nosferatu - Eine Symphonie des Grauens" so gut wie er. "Also ich schätze mal, ich habe den über 50 Mal gesehen, weil ich unter anderem den Gang von Herrn Orlok nachmachen wollte. Das muss ja auch ein bisschen authentisch aussehen."
Fünf prägende Schauplätze in Wismar
Mit langem schwarzem Umhang verkleidet und spitzen Vampirzähnen, trägt er bei seinen Nosferatu-Stadtführungen einen Sarg - aus Pappe - durch die Altstadt von Wismar. Im Film spielt die Handlung in Wisborg. "Für Wismar interessant sind fünf Stellen auf dem Heiligen-Geist-Hof und hinter der Georgenkirche. Und auf dem Marktplatz vor dem Marien-Kirchturm spielt die erste Szene. Da bin ich sehr gespannt, ob das so übernommen wird oder ähnlich aussieht“, sagt Glockemann vor seinem Kinobesuch.
Immerhin: Seine Vampirzähne hat er mitgenommen in den Schweriner Kinosaal. Dort ist er hingefahren, um sich die Neuverfilmung von Robert Eggers anzuschauen. Die Erwartungen des 65-Jährigen sind überschaubar: "Ich bin gespannt, ob die das hinbekommen, den Ursprungsfiilm nicht zu verhunzen, aber ich bin eigentlich guter Dinge."
Wenig Schockmomente für den Grusel-Experetn
Der kleine Kinosaal ist etwa halb voll, 25 Zuschauer, eher jüngeres Publikum. "Nosferatu – Der Untote" heißt die Neufassung und ist ab 16 Jahren freigegeben. Micha Glockemann ist von keiner der Szenen schockiert, auch wenn vieles brutaler ist als bei Murnau - und das Blut in Farbe tropft.
Wirkliche Überraschungen gibt es bei der Neuverfilmung nicht. Und wer das Original kennt, erkennt auch die Story: Ein Makler verkauft einem Vampir ein Haus in Wisborg und holt so das Grauen in die Stadt. Nach mehr als zwei Stunden endet der Film. Und Micha Glockemann ist zufrieden. Keine Verhunzung aus seiner Sicht. Er ist vielmehr durchaus beeindruckt, vor allem wie Eggers die im Original mit Texten unterlegten Szenen umgesetzt hat: "Die fand ich ganz gut gemacht." Anderes fand er ein "bisschen überzogen".
Das Original von 1922 bleibt maßgebend
Die Kulisse für Wisborg, aufgebaut in einem Prager Filmstudio, sieht Wismar ähnlich. Der Nosferatu-Stadtführer erkennt aber keine der in Wismar gedrehten Szenen aus dem Originalfilm wieder. "Da hätte man ganz viel in Wismar drehen können. Also die Kulisse war eigentlich ganz gut oder ganz toll, aber es war natürlich nicht Wisborg und nicht Wismar klar, aber immerhin wirkte das schon sehr mittelalterlich."
Regisseur Robert Eggers sagt, er wäre an allen Original-Drehorten in Norddeutschland gewesen. Dem Wismarer Nosferatu-Experten Micha Glockemann ist er dabei nicht begegnet. Für den bleibt aber sowieso das Original aus dem Jahr 1922 maßgebend. "Die Legende lebt weiter. Schade. Ich dachte, man kann das gut damit unterstützen. Aber nun, wir sind Nosferatu-Stadt. So oder so!“