"Der Leuchtturm": Subtiler Horrorfilm mit Willem Dafoe
Nur drei Schauspieler, komplett in Schwarz-Weiß gedreht im klassischen quadratischen Stummfilm-Format: "Der Leuchtturm" mit Willem Dafoe und Robert Pattinson von 2019 ist ein außergewöhnlicher Film.
Für die Oscars 2020 wurde der Film des amerikanischen Regisseurs Robert Eggers in der Kategorie "Beste Kamera" nominiert. Eine Rezension zum Horrorfilm. Die Anordnung ist diese: Zwei Männer werden um 1890 von einem Schiff auf eine abgelegene Insel vor der amerikanischen Küste gebracht. Der eine als Leuchtturmwärter, der andere als sein Lehrling. Während mehrerer Monate sollen die beiden auf der Insel bleiben, den Leuchtturm und die Unterkunft reparieren, unter anderem auch die faulige Zisterne. Wake, der Ältere, wird gespielt von Willem Dafoe. Der jüngere Winslow von Robert Pattinson. Schon kurz nach der Ankunft beginnt Wake, seinen unerfahrenen Kompagnon zu schikanieren und zu terrorisieren.
"Der Leuchturm": Schwarz-Weiß-Film in Stummfilm-Format
Seinen Film "Der Leuchtturm" hat Robert Eggers in Schwarz-Weiß gedreht - und im klassischen quadratischen Stummfilm-Format, das die ohnehin schon klaustrophobischen Räume des Leuchtturmwärter-Häuschens zusätzlich staucht. In diesen Räumen hält Wake alias Dafoe seine Monologe. Eine Mischung aus Seemannsgarn, nautischen Informationen, abergläubischen Einsprengseln, Matrosenmythen und - immer wieder - unflätigen Beschimpfungen und Befehlen.
Der Horror stellt sich schleichend ein
Als selbstgerechten Großkotz spielt Willem Dafoe diesen Wake, der die Räume - etwa die gemeinsame Schlafkammer der Männer - auch physisch in Beschlag nimmt. Er furzt und schwitzt, er isst geräuschvoll und trinkt exzessiv. Dieser Meeresmann mit dem fusseligen Vollbart steht nicht nur für die Dominanz von Alter und Erfahrung, er ist auch der ökonomische Steuermann der Konstellation.
Was ist das für ein Horrorfilm, dessen Horror sich erst langsam in die Bilder einschleicht? In kontrastreichem Schwarz-Weiß gefilmt, wirken die Köpfe der beiden Männer mit ihrer fahlen Haut und den reliefartigen Wangenknochen wie Totenschädel. Auch in den Dialogen hallt viel Morbides mit. Es geht um Vergänglichkeit, um die Nichtigkeit des Menschen angesichts der Gewalt und Ewigkeit des Meeres. Je mehr Rum getrunken wird, desto verrückter und literarischer werden auch die Dialoge.
Willem Dafoe als selbstgerechter Großkotz
"Der Leuchtturm" ist auch ein Film über überschießende Männlichkeit, über Selbstbilder und Männerbilder. Über toxische Männlichkeit, um einen modernen Begriff zu verwenden. Wake und Winslow haben der Einsamkeit auf der sturmumtobten Insel nur ihre eingefleischten, archaischen Strategien entgegenzusetzen: Konkurrenz, Unterdrückung, Kampf. Zwischendurch gibt es auch Umarmungen, Verbrüderungen, das gemeinsame Absingen von Seemannsliedern. Doch über allem schwebt ein tiefes gegenseitiges Misstrauen. Wake nimmt Winslow dessen Lebensgeschichte nicht ab.
Das Meer tobt, die Wellen schäumen. Der Sturm heult, die Möwen kreischen unheilvoll. Nach einer durchzechten Nacht verpassen die beiden Männer das Ablöseboot. Eggers kluger, mystischer Horrorfilm driftet endgültig in einen Zustand zwischen Halluzination und der rauen Wirklichkeit der Naturgewalten. Meerjungfrauen bevölkern die Fantasie. Todesangst wechselt mit schnapsgeschwängertem Lebenswillen. Gemeinsam mit Wake und Winslow verliert auch der Zuschauer jedes Zeitgefühl.
Der Leuchtturm
- Genre:
- Drama
- Produktionsjahr:
- 2019
- Produktionsland:
- USA, Kanada
- Zusatzinfo:
- mit Willem Dafoe, Robert Pattinson, Valeriia Karaman
- Regie:
- Robert Eggers
- Länge:
- 109 Minuten
- FSK:
- ab 16 Jahre
- Kinostart:
- 28. November 2019