"Der Hitler-Fake": Doku über Tagebücher und "Stern"-Skandal
Von der größten Entdeckung zur peinlichsten Blamage in nur wenigen Tagen: Das ist die Geschichte der "Hitler-Tagebücher", die der "Stern" im April 1983 veröffentlichte. Das Magazin war auf einen gigantischen Betrug hereingefallen, der auch 40 Jahre später noch Fragen aufwirft. Die Reporter der Fernsehredaktion ARD-History sind diesen Fragen nachgegangen.
25. April 1983: Pressekonferenz im Verlag Gruner und Jahr. Das Magazin Stern hat eingeladen. Vor 27 Fernsehteams und 200 Reportern präsentiert Chefredakteur Peter Koch "Hitlers Tagebücher". "Auch auf bohrende Nachfragen werden Sie jetzt von mir nicht hören werden, wer uns die Bücher übergeben hat", sagt Koch auf der Pressekonferenz.
Der Scoop um "Hitlers Tagebücher" wird schnell zum Skandal
"Hitlers Tagebücher": ein Presse-Scoop. Die Geschichte des Dritten Reiches müsse teilweise umgeschrieben werden, triumphiert der Chefredakteur. Doch schnell, sehr schnell sogar, kamen Zweifel auf: Zu viele Unstimmigkeiten, zu viele Ungereimtheiten und: Die roten Kordeln sind einwandfrei Nachkriegsware, die Altersflecken schwarzer Tee.
Verantwortlich: Kunstfälscher Kujau und "Stern"-Reporter Heidemann
"Die angeblichen 'Hitler-Tagebücher' sind nach Überzeugung amtlicher Experten eine Fälschung", meldet die Tagesschau am 6. Mai 1983. Hinter dem Fake stecken vornehmlich der Kunstfälscher Konrad Kujau und "Stern"-Reporter Gerd Heidemann. Doch letztlich sind es nicht beide allein, das gesamte Verlagshaus steht blamiert da. Eine ganze Branche gerät in Misskredit. Die Gier nach Geld, die Gier nach Sensationen - aus diesem Grund fielen so viele auf die Hitler-Fakes herein.
NDR veröffentlicht sämtliche Bände digital und kommentiert
Über die Geschichte der gefälschten "Hitler-Tagebücher" ist in all den Jahren viel veröffentlicht worden. Es gibt Filme, Reportagen, sogar eine Serie und nun diese Doku mit exklusivem Material. Denn erst vor Kurzem veröffentlichte der NDR sämtliche Bände der gefälschten Tagebücher digital und kommentiert. Was steht drin? 62 Bände Hitlers gefälschte Gedanken, erfundene Notizen zu Ereignissen und Personen, ausgedachte Gesundheitsprobleme, nachempfundene Gefühle für Eva Braun.
"Hitler-Tagebücher" sollten Holocaust relativieren
Wie lautet das Fazit 40 Jahre nach der Affäre um die gefälschten "Hitler-Tagebücher"? Einerseits zeigt die aktuelle Auswertung, dass es sich keineswegs um einen reinen Medien-Skandal handelte. Vielmehr sollte Hitler in einem milden Licht gezeigt, der Holocaust relativiert werden. Kurzum: Geschichtsklitterung,
Besonders abscheulich: Kujau verharmlost Hitlers Rolle bei der Vernichtung der Juden. In den Tagebüchern steht praktisch nichts über den Holocaust, die "Endlösung" oder den millionenfachen Mord.
Fake war vor 40 Jahren stümperhaft, aber was wäre heute?
Andererseits lehrt dieser Fall, dass Sensationslust und Gier stets die größte Gefahr für einen unabhängigen Journalismus sind. Der Hitler-Fake flog schnell auf, damals vor 40 Jahren, auch weil er so stümperhaft durchgeführt wurde. Doch was wird sein, wenn Fälschern in Zukunft eine Künstliche Intelligenz (KI) zur Verfügung steht?