Berlinale: Martin Scorsese mit Goldenem Ehrenbären geehrt
Der 81-jährige Filmemacher Martin Scorsese hat Meilensteine fürs US-Kino gedreht. Sein jüngster Film "Killers of the Flower Moon" ist für zehn Oscars nominiert. Bei der Berlinale hat er am Dienstag den Goldenen Ehrenbären erhalten, die Laudatio hielt Regisseur Wim Wenders.
Der deutsche Regisseur erzählte von der langjährigen Freundschaft zu Martin Scorsese, den er im Rahmen eines Filmfests in den USA kennenlernte. Wenders würdigte das Kino voller Emotionen Scorseses, dessen Tochter Francesca und dessen 84-jährige Cutterin Thelma Schoonmaker mit zur Ehrengala kamen.
Der US-Regisseur erzählte über seine "unendliche und zeitlose, bedingungslose Liebe zum Kino". Er betonte, was für eine herausragende Bedeutung Filmfestivals für das Independent-Kino weltweit hätten. Speziell die Berlinale habe seiner Generation von US-Filmemachern dabei geholfen, auch in der Heimat ernster genommen und finanziert zu werden. Er dankte seinen Wegbegleitern aus fast sechs Jahrzehnten Arbeit im Kinobereich, darunter seinem langjährigen, mittlerweile verstorbenen deutschen Kameramann Michael Ballhaus.
Talk bei "Berlinale Talents" über die Bedeutung von Schuhen am Set
Bei der Pressekonferenz am Dienstagnachmittag hatte Scorsese gesagt, er sehe die Zukunft des Films optimistisch: "Ich denke nicht, dass der Film stirbt, er verändert sich", so der 81-Jährige. Von technologischem Fortschritt sollte sich niemand einschüchtern lassen. Man dürfe sich von der Technologie nicht versklaven lassen, sondern müsse sie entsprechend lenken.
Bei der Veranstaltung für den Filmnachwuchs, "Berlinale Talents", sprach Scorsese mit der britischen Regisseurin fast eine Stunde lang über seine Arbeit am Set, wie er gern Kameras einstellt - und was für eine besondere Bedeutung etwa Schuhen zukommt. Denn ein Regisseur müsse in der Lage sein, schnell und ohne Rutschgefahr von A nach B zu kommen, ohne sich zu verletzen.
Meiste Oscar-Nominierungen als bester Regisseur
Zehnmal war Martin Scorsese, legendärer US-Filmemacher von Meisterwerken wie "Taxi Driver", "Gangs of New York", "Casino", "The Wolf of Wall Street", für einen Oscar als bester Regisseur nominiert. Er ist nun der am häufigsten nominierte noch lebende Regisseur - noch vor Steven Spielberg.
Bislang hat er aber nur einmal die goldene Statuette mit nach Hause genommen - für "The Departed". Die Berlinale, die Scorseses Filme mehrfach gezeigt hat, darunter einen Konzert-Dokumentarfilm über die Rolling Stones, ehrte Scorsese mit einem Goldenen Ehrenbären für sein Lebenswerk. Anschließend wurde "The Departed" im Berlinale-Palast gezeigt.
"Seine Filme haben uns als Zuschauer*innen und Menschen begleitet, seine Figuren haben in uns gelebt und sind in uns gewachsen. Sein Blick auf die Geschichte und die Menschheit hat uns geholfen, zu verstehen und zu hinterfragen, wer wir sind, woher wir kommen", hieß es in der Begründung der Berlinale.
Zweiter Regie-Oscar für Martin Scorsese im März?
Am 10. März könnte ein zweiter Regie-Oscar für den Filmemacher hinzukommen. Denn Scorsese ist erneut in der Kategorie für seinen Film "Killers of the Flower Moon" nominiert - und ist mit zehn Nominierungen einer der Favoriten für den besten Film neben den auch kommerziell sehr erfolgreichen Filmen "Oppenheimer", "Poor Things" und "The Holdovers". In "Killers of the Flower Moon" spielt Leonardo DiCaprio die Hauptrolle - neben dem anderen Stammschauspieler Scorseses: Robert de Niro.
Er wollte katholischer Pfarrer werden
Ursprünglich wollte der gebürtige New Yorker katholischer Pfarrer werden. "Es ist schwer zu sagen, warum ich mich entschieden habe, doch Filmemacher zu werden. Das war ein langer Prozess, der 20 Jahre gedauert hat." Fakt ist auch, dass Martin Scorsese wegen mangelnder Leistungen aus dem Jesuitenkolleg geworfen wurde.
In seinem Arbeiter-Elternhaus gab es keine Bücher, dafür einen Fernseher. "Das war die Frühzeit des Fernsehens, 1948. Ich habe die italienischen Filme gesehen, die für die Italo-Amerikaner gezeigt wurden. Da war ich fünf, sechs Jahre alt. Gleichzeitig habe ich alle Hollywood-Filme geguckt, denn ich hatte furchtbares Asthma. Und einer der wenigen Orte, zu dem ich gehen konnte, war das Kino."
Durchbruch 1979 mit "Taxi Driver" in Cannes
Seine Familie war von Sizilien eingewandert, lebte zuerst in Queens, dann in Little Italy. Dort beobachtete der damals Achtjährige die harten Zustände auf der Straße, von der Feuerleiter vor der Wohnung seiner Großmutter aus. Erst als Student zog es ihn auf die New Yorker Universität. Zwar studierte er Lehramt, schrieb aber nebenher schon Drehbücher und drehte Kurzfilme. Schließlich widmete er sich ganz der Kinowelt.
1976 gelang ihm der internationale Durchbruch mit "Taxi Driver", dem Porträt eines verbitterten Vietnam-Veteranen, der sich aus Abscheu über die New Yorker Halbwelt, immer mehr in Wut, Gewalt und Hass steigert. Es war der Beginn einer langjährigen Zusammenarbeit mit Robert de Niro. Der Film wurde in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet. Häufig in kleinen Rollen zu sehen war stets die Mutter des Regisseurs.
Film Foundation zum Bewahren des Film-Erbes
Weitere Meilensteine des Kinos schuf er mit "Wie ein wilder Stier" (1980), "Die Farbe des Geldes" (1986), "Goodfellas" (1990), "Kap der Angst" (1991), "Casino (1995)", "Gangs of New York" (2002), "Aviator" (2004), "Shutter Island" (2010), "The Wolf of Wall Street" (2013) und "Silence" (2016). "The Irishman" markierte 2019 seine erste Zusammenarbeit mit einem Streaming-Dienst.
Der Regisseur setzt sich seit Jahrzehnten engagiert für das historische Filmerbe ein. Mit seiner Film Foundation unterstützt er die Restaurierung und den Verleih von Filmklassikern. Aktuell plant er laut Medienberichten einen weiteren Film über Jesus. Im Januar hat er sich zwecks Recherche bereits im Vatikan mit Papst Franziskus getroffen.
Dokumentarfilm über Martin Scorsese bis März 2024 auf Arte:
Wer einen Einblick in die Karriere Scorseses erhalten möchte, kann bis zum 12. März den Dokumentarfilm von 2022 "Martin Scorsese: Von Little Italy nach Hollywood" von Yal Sadat und Camille Juza bei Arte sehen. Der fast einstündige Film zeigt Ausschnitte aus seinem enormen filmischen Werk und unveröffentlichte Archivaufnahmen. Außerdem zeigt Arte in der Reihe "Blow Up" einen Zusammenschnitt seiner Karriere unter dem Titel "Martin Scorsese in 10 Minuten".