"Killers of the Flower Moon": Meisterwerk von Martin Scorsese
Der Umgang der weißen Eroberer mit den indigenen Völkern Amerikas ist ein trauriges Kapitel. Ein unbequemer Film für das weiße US-Amerika. "Killers of the Flower Moon" von Meisterregisseur Martin Scorsese war in den Kategorien "Beste Regie" und "Bester Film" für die Oscars nominiert.
Dreieinhalb Stunden nimmt sich Martin Scorsese Zeit für sein Western-Krimi-Drama, das sich mit den sogenannten Osage-Morden befasst. "Killers of the Flower Moon" basiert auf dem gleichnamigen, akribisch recherchierten Tatsachenkrimi von David Grann und ist mit Robert De Niro und Leonardo DiCaprio starbesetzt. Im Herbst hat der New York Film Critics Circle ihn zum "besten Film des Jahres 2023" ausgezeichnet. Bei der Oscar-Gala ging der unbequeme Film allerdings leer aus: Christopher Nolan und "Oppenheimer" erhielten die Trophäen für "Beste Regie" und "Bester Film", für die auch Scorceses Film nominiert gewesen war.
"Killers of the Flower Moon" beginnt in 1920er-Jahren
Den meisten indigenen Stämmen Nordamerikas ging es so: Vertrieben von ihrem Land, gezwungen in Reservate, oft Tausende Kilometer entfernt auf unbrauchbarem Boden. Nur die Osage Nation hatte es durch Zufall richtig getroffen. Das Fleckchen Land in Oklahoma, das der Stamm sich kaufte, entpuppte sich als wahre Goldgrube! Und hier beginnt - in den 1920er Jahren - Scorseses Geschichte.
Die Osage, sie haben sich das ödeste Land ausgesucht. Doch sie haben alle überlistet, auf dem Land gab es Öl. Schwarzes Gold. Geld gibt’s jetzt im Überfluss. Robert De Niro als Rinder-Baron William Hale
De Niro als kaltblütiger Ausbeuter - DiCaprio als sein Erfüllungsgehilfe
William Hale, gespielt von Robert De Niro, steht als Rinderzüchter in besten Verbindungen mit den Osage. Er spricht ihre Sprache, preist ihre Intelligenz - und hat es doch nur auf ihr Vermögen abgesehen. Das ist schnell zu durchschauen. Nur nicht für seinen Neffen Ernest. Leonardo DiCaprio spielt den Weltkriegs-Heimkehrer zwischen tumb und bauernschlau. Vom Onkel lässt er sich gerne ermuntern, mit der Osage Mollie anzubändeln, deren Chauffeur er ist.
Es ist zumindest nicht nur Berechnung, die Ernest zu Mollie hinzieht. Er verliebt sich tatsächlich in die Osage-Frau, der Schauspielerin Lily Gladstone ein inneres Leuchten mitgibt. Er heiratet sie - und erfüllt damit genau seinen Zweck, denn, so Onkel Hale: "Wir vermischen diese Familien, und das Nachlassvermögen fließt in die richtige Richtung. Es kommt zu uns."
Scorsese erzählt aus der Perspektive der Täter
Die Bodenrechte sind es, auf die Hale so scharf ist, dass er über Leichen geht. Man hätte die wahre Geschichte der Osage-Morde als Whodunit-Krimi erzählen können: FBI-Ermittler jagt die Mörder von 18 brutal getöteten Osage. Scorsese hat sich für die andere Variante entschieden: Man kennt die Täter und schaut ihnen beim skrupellosen Morden zu. Das Erschreckendste: DiCaprios Figur setzt im Auftrag des Onkels Killer auf die eigenen Schwägerinnen an! "Wir haben überlegt, wie viel wir dem Publikum über Ernests Komplizenschaft in der Mord-Serie verraten wollen", so DiCaprio. "Und ich finde, Scorsese gelingt es nun meisterhaft, die Manipulation durch den Onkel verstehbar zu machen und wie Ernest tiefer und tiefer in diese scheußlichen Verbrechen hineingezogen wird."
Robert De Niro in einer teuflischen Rolle
De Niro macht aus William Hale eine wahrhaft mephistophelische Figur. Ein böser Einflüsterer, der sich als kümmernder Onkel tarnt. Und der Junge denkt, er stehe in seiner Schuld.
"Du hast in die Stirn gesagt. Warum schießt er dann in den Hinterkopf? Ist doch nicht schwer: Von vorn ist von vorn und von hinten ist von hinten. Jetzt sieht es nach Mord aus. Genau das wollten wir vermeiden, klar?" Robert De Niro als William Hale
Scorseses Film ist ein Sittengemälde
Die dreieinhalb Stunden braucht Scorsese, um aus dem Thriller-Stoff ein Zeit- und Sittengemälde zu machen. Mittels akribischer Ausstattung taucht er ein in die neureiche Welt des Osage-Stammes. Die Kleidung noch traditionell, die Häuser europäisch eingerichtet, teure Automobile vor der Tür. Das Essen der Weißen jedoch verursacht nicht nur bei Mollie Diabetes. Die verzweifelten Stammes-Ältesten wissen sehr wohl, was vor sich geht. So erklärt einer von ihnen: "Als dieses Geld zu uns kam, hätten wir wissen müssen, dass noch etwas anderes kommt: Sie sind wie Bussarde, die über unserem Volk kreisen. Wir sind noch Krieger!"
DiCaprio betont enge Zusammenarbeit mit dem Osage-Stamm
Natürlich konnten weiße Filmemacher diese Geschichte nur in enger Abstimmung mit dem betroffenen Stamm erzählen, das ist Leo DiCaprio als Mit-Produzenten wichtig zu betonen: "Wir wollten die Geschichte so authentisch wie möglich erzählen und hatten deshalb sehr viele Treffen mit Stammes-Ältesten, haben auch mit direkten Nachfahren der Opfer gesprochen. Und sie haben uns unglaubliche Einblicke in eine Geschichte gegeben, die sie vor der Außenwelt lange unter Verschluss gehalten haben, weil sie so unglaublich traumatisch ist."
Episches Meisterwerk von Martin Scorsese
Man ist gefesselt, geschockt und berührt von dieser Geschichte, die so beispielhaft von der mörderischen Habgier weißer Landräuber erzählt - und vom Fehlen jeglichen Unrechtsbewusstseins. Es mag abgedroschen klingen, aber auch "Killers of the Flower Moon" ist ein episches Meisterwerk von Martin Scorsese - keine Minute zu lang.
Killers of the Flower Moon
- Genre:
- Western / Drama / Krimi
- Produktionsjahr:
- 2023
- Produktionsland:
- USA
- Zusatzinfo:
- Leonardo DiCaprio, Robert De Niro, Lily Gladstone, Jesse Plemons, Brendan Fraser, John Lithgow, Tantoo Cardinal, u.a.
- Regie:
- Martin Scorsese
- Länge:
- 206 Minuten
- FSK:
- ab 12 Jahren
- Kinostart:
- 19. Oktober