"BACH - ein Weihnachtswunder": Devid Striesow über Rolle als J.S. Bach
Devid Striesow ist ein großer Klassik-Fan. Nun spielt er eine Rolle, von der er lange geträumt hat: Im ARD-Film "BACH - ein Weihnachtswunder" verkörpert er Johann Sebastian Bach. Heute ab 20.15 Uhr im Ersten und bereits in der ARD Mediathek.
Devid Striesow spielt das Musikgenie als einen manchmal auch überforderten Menschen aus Fleisch und Blut, der geplagt ist von Sorgen, Nöten und tiefer Verzweiflung angesichts der städtischen Bürokraten. Wie nähert man sich dieser Legende, über die so wenig Persönliches bekannt ist? Wie fühlt man sich, wenn man die Thomaner dirigieren kann? Fragen, über die Devid Striesow im Interview spricht. Der Film steht in der ARD Mediathek.
Devid Striesow, wie war es, als sie dich angerufen und gefragt haben, ob du gerne mal den größten Komponisten aller Zeiten spielen würdest?
Devid Striesow: Ich habe mit dem Produzenten Ernst Ludwig Ganzert schon den Luther-Film zusammen gemacht. Dieses Mal rief er mich an und sagte: "Ich würde dich gerne für eine Rolle vorschlagen - wieder eine historischen Persönlichkeit. Was hältst du davon, den Johann Sebastian Bach zu spielen?" Ich dachte im ersten Moment: 'Das kann jetzt nicht wahr sein, das ist ja Wahnsinn!'
Dann erzählte er mir, dass es um die Entstehung des Weihnachtsoratoriums ginge und dass die Dreharbeiten in zwei Monaten beginnen würden. Da hat es erst mal angefangen, bei mir zu rattern: Was muss ich für die Rolle tun? Das waren verschiedene Herausforderungen: Ich habe angefangen, Unterricht im Dirigieren zu nehmen, denn es war im Drehbuch fest verankert, dass diese Premiere von Bach selbst dirigiert wird. Ich habe angefangen, den Körper zu verändern, denn ich habe mir wirklich 20 Kilo draufgepackt. Johann Sebastian Bach hat in seiner Zeit den ganzen Tag über Bier getrunken, denn das war damals sauberer als Wasser. Deshalb war er sehr korpulent, hat auch gern gegessen.
Das Besondere an diesem Projekt war auch, dass mein Sohn Ludwig, mittlerweile fast 27 Jahre alt, den Carl Philipp Emanuel gespielt hat. Als die Nachfrage kam, ob er Lust hätte, hat er nicht lange gezögert. Wir haben kurz telefoniert, und ich habe gesagt, 'es wäre ganz, ganz toll, ich würde mich wahnsinnig freuen'. Er hat dann zugesagt, und das bereut er, glaube ich, bis heute nicht.
Du hast dir sehr viele Dinge angeeignet, Dirigieren zum Beispiel. Aber du hast ohnehin eine große musikalische Vorbildung, oder?
Striesow: Ich habe schon früh angefangen, Geige zu spielen, mit sechs. Das hat mir damals noch nicht so großen Spaß gemacht. Das war im Osten unter einem ziemlich hohen Erwartungs- und Leistungsdruck. Ich hatte wahnsinnig viele Vorspiele am Konservatorium und war jedes Mal unglaublich aufgeregt. Es war ein ziemlicher Horror. Dass ich mal Schauspieler werden und mich mit auswendig gelerntem Text vor Leute traue, hätte ich mir damals nicht vorstellen können.
Irgendwann mit 14 habe ich angefangen, in einer Folk-Punk-Band zu spielen. Es war eine sehr, sehr schöne Zeit. Ich war der Jüngste und war der einzige, der Noten lesen konnte. Die anderen waren sehr wohlwollend mir gegenüber. Dann habe ich angefangen, parallel die Mandoline und die Gitarre zu spielen, und an der Gitarre habe ich mich so ein bisschen aufgehängt.
Das habe ich dann angefangen zu studieren, als meine Lehre zum Goldschmied nach der Wende in die Brüche ging, weil der Betrieb pleite ging. Ich habe nach der Wende drei Jahre lang Abitur machen dürfen, habe mein Wirtschaftsabitur gemacht und habe diese drei Jahre genutzt, um auf einem ausgeliehenen Klavier von meinem Musiklehrer Klavierunterricht zu nehmen, um die Aufnahmeprüfung an der Hochschule zu schaffen.
Ich hatte dann einen Lehrer an der Hanns Eisler Hochschule in Berlin für Gitarre/Jazz-Gitarre und habe das ein Jahr studiert - und bin immer zwischen Rostock und Berlin hin und her gefahren. Dann musste ich zum Zivildienst und wollte eigentlich nach Berlin, wollte aus Rostock weg, wollte in diese verrückte Stadt der Neunziger und habe mich ganz sporadisch an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch beworben - bin da durchgerutscht, wurde genommen - und damit war im Prinzip der Beruf besiegelt.
Das war ein absolut legendärer Jahrgang. Zum Beispiel war Nina Hoss dabei. Wer noch?
Striesow: Mark Waschke, Lars Eidingerund noch ganz viele andere tolle Kommilitonen.
Die Macher der Films wollten Bach als Menschen zeigen - nicht das Denkmal, nicht das Genie, sondern ein Mann, immer umgeben von vielen Menschen, immer im Dauerstress. Und so spielst du ihn auch: sehr menschlich.
Striesow: Es war mir ein Anliegen, jemanden zu zeigen, der eine Inselbegabung gehabt haben muss. Diese Mengen, die er geschrieben hat, dieses hochkomplizierte, tolle musikalische Werk, was er hinterlassen hat, und das Ganze in einer familiären Situation, mit endlos vielen Kindern im Haus, wo auch die Thomaner selber untergebracht waren, zu jeder Tages- und Nachtzeit zu komponieren, wann immer das einen anspringt, dabei vielleicht auch ein bisschen cholerisch.
Ich habe versucht, ihn ein bisschen kindlich-verstockt zu spielen, auch ein bisschen in seiner Welt und unter diesem Zeitdruck - das fand ich nachvollziehbarer. Dass wir in dem Film diese Familie zeigen, die ihn dabei unterstützt, diese starke Frau, und wie alle zusammenarbeiten - das ist, finde ich, eine sehr tolle, heutige Interpretation. Mir hat das sehr gefallen.
Das Gespräch führte Knut Elstermann - diese Sendung ist eine Übernahme vom MDR.