Staatstheater erzählt deutsche Geschichte mit Fußballgesängen
In rund einem Monat findet die EM in Deutschland statt - und im Schauspiel Hannover haben Fußball-Theaterstücke Hochkonjunktur. Nachdem es im Januar in "Zwei Herren von Real Madrid" um homosexuelle Liebe unter Profikickern ging, nimmt "Unsere Elf" die Zuschauenden direkt mit in die Zeit des Kalten Krieges.
Ein Stadion - zwei deutsche Nationalhymnen
Das Publikum ist ins Stadion geraten. Links und rechts der Zuschauerreihen steht die Elf des Abends, klatscht, heizt einen Sprechchor an: "Deutschland! Deutschland!" Genauer gesagt sind es zwei Sprechchöre. Und sie singen auch zwei Nationalhymnen, die aus Ost- und Westdeutschland.
Historische Meilensteine der deutschen Nationalmannschaften
Es sind Meilensteine der deutschen Nationalmannschaften, die das Stück Revue passieren lässt: Es geht um Ost- gegen Westdeutschland bei der WM 1974, die erste Nationalmannschaft der Frauen 1982, die Kontroverse um Mesut Özil, der sich 2018 mit dem türkischen Präsidenten Erdoğan ablichten ließ.
Ich habe zwei Herzen, ein deutsches und ein türkisches. Bühnenzitat
Gesammelte starke Fußballerinnerungen
Ein Jahr lang ist das Team um Regisseur Tuğsal Moğul durch Deutschland gefahren, hat ehemalige Nationalspieler von Felix Magath bis Silvia Neid, Schiedsrichter Deniz Aytekin und Sportstudio-Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein zu starken Fußball-Erinnerungen befragt. Das hat ein dokumentarisches Theater-Mosaik aus Geschichten ergeben, in denen Schauspielerin Helene Krüger unter anderem Ex-DDR-Nationalspieler Lothar Kurbjuweit eine Stimme gibt. "Bei dieser Arbeit geht es jetzt nicht unbedingt darum, sich tief in diese Rolle einzufühlen, weil es immer auf der Ebene bleibt, dass wir quasi Fußballfans sind, oder Menschen, die sich mit Fußball auseinandersetzen", sagt die Darstellerin. "Ich tue also nicht zu tausend Prozent so, als wäre ich Lothar Kurbjuweit oder Oliver Neuville und probiere richtig in die reinzugehen und die nachzuspielen, sondern ich ziehe mir das eher wie so einen Mantel über, um das dem Publikum zu transportieren."
Farben der Fahne in einen anderen Kontext setzen
Für sein Dokumentartheater ist Moğul bekannt. Selbst auch als Arzt tätig, hat der Regisseur Mediziner am Limit auf die Bühne gebracht und die NSU-Morde thematisiert. In "Unsere Elf" hinterfragt er das Nationale, beobachtet, wie es sich im Zusammenhang mit dem Fußball verändert hat, zum Beispiel als das Schwenken der deutschen Fahne bei der Fußball-WM 2006 in Deutschland plötzlich in Mode kam. Er hat damals eine deutliche Veränderung in Deutschland wahrgenommen. "Ich habe mir viele Fragen gestellt: Was heißt das, wenn man diese Fahnen, diese Farben sieht? Wer darf sie benutzen, diese Beflaggung, sage ich mal, in Deutschland?", fragt Moğul. "Müssen es die sein, die Corona-Leugner sind oder bei der Pegida-Kundgebung dabei sind? Warum werden sie nicht anders besetzt - eine Veränderung der Wahrnehmung dieser Farben - warum nicht in einen anderen Kontext setzen, wo ich mich auch drin repräsentiert fühle?"
Viele verschiedene Fußballgesänge und Lieder
"Eine etwas andere Nationalhymne" heißt das Stück im Untertitel und es sind etliche einende Fußballgesänge und Lieder, mit denen Tobias Schwencke die vielen Einzelerzählungen verbindet. Schade nur, dass die türkische Langhalslaute, die für das Migrantische steht, nicht selbstbewusst mit einer eigenen Melodie durchdringt. Vielleicht passt die türkische Chromatik aber auch nicht so gut zum Klapping, dem Tanzstil, der Bewegungen aus Fußball mit dem Street Dance verbindet. Das wiederum ist recht cool.
Staatstheater erzählt deutsche Geschichte mit Fußballgesängen
"Unsere Elf. Eine etwas andere Nationalhymne" hatte am Schauspiel Hannover Uraufführung. Ein Stück über deutsche Fußballgeschichte.
- Art:
- Bühne
- Datum:
- Ende:
- Ort:
-
Staatstheater Hannover
Opernplatz 1
30159 Hannover - Telefon:
- (0511) 99 99 00
- Preis:
- ab 16,50 Euro