"Singularis"-Premiere in Göttingen: Viele überraschende Momente
In "Singularis" geht es um die Suche nach der eigenen Identität - oder besser: den Identitäten? Nis-Momme Stockmann hat das Stück geschrieben, inszeniert hat es Dominique Schnizer. Nun war Premiere im Deutschen Theater Göttingen.
Kühlschrank, Herd, ein Tisch und zwei Stühle stehen auf der kleine Bühne des dt.2 im Deutschen Theater Göttingen: Auf dem einen sitzt Ava, die versucht zu lesen, auf dem anderen sitzt Emmi, die lieber kiffen würde. Beide sind beste Freundinnen und beide warten darauf, dass das Leben anfängt: Ava im zehnten Wartesemester auf ihr Psychologiestudium, Emmi auf den Erfolg als Künstlerin.
Bereits am Anfang ist zu spüren, dass Ava ein Problem hat, ein Geheimnis, das sie verbirgt. Etwas, was Nathalie Tiede aber reizt, diese junge Frau zu spielen: "Diese Fassade, die sie versucht, aufrecht zu halten - und was es braucht und wie lange es auch dauert, bis das anfängt zu bröckeln." Dieser ständige Kampf ums Überleben habe sie sehr gereizt. "Wie eine Zwiebel, die gepellt wird durch die äußeren Einflüsse und durch das, was sie dann auch zulässt", so die Schauspielerin.
Personen und Zeiten vermischen sich
In "Singularis" geht es zwar um viele Themen, aber nur um einen Menschen - einen sehr einsamen. Für Regisseur Dominique Schnizer geht es "um eine junge Frau und um ihre Gefühlswelt. Was wir den ganzen Abend sehen, ist das, was in ihrem Kopf, in ihrer Seele passiert."
Und Emmi? Sie ist Avas Alter Ego. Ein ständiger Kampf mit dem anderen Ich. Dabei ist Emmi nur eine der vielen Identitäten von Ava. Doch das erschließt sich dem Zuschauer - wenn überhaupt - erst nach und nach. Denn auf der Bühne passiert viel. Vor allem, nachdem Emmi und Ava das Portal entdeckt haben: Von nun an vermischen sich nicht nur die Personen, sondern auch die Zeiten. Jetzt wird es unübersichtlich, hektisch. Denn mit dem Portal kann Ava in ihre eigene Zukunft und in ihre Vergangenheit blicken - und diese offenbar auch gestalten.
Geniales Ensemble und viele überraschende Momente
Aber hilft es? Ist es der Weg zum befreiten Ich? Oder vereinsamt sie noch mehr? Denn zufriedener wird sie nicht, wenn man dem Autor Nis-Momme Stockmann folgt: "Das Gegenteil ist der Fall. Alles wird noch chaotischer und schlimmer. Es ist ja dasselbe, was auch in unserer Gesellschaft spürbar ist, wenn wir sagen, wir haben diese ganzen Dinge, die unser Leben erleichtern sollen, Smartphone und Displays und das ganze Zeug und unsere Zahnzusatzversicherung. Alles ist da. Aber wir sind trotzdem kein Stück glücklicher, zufriedener oder ruhiger."
Auch nicht auf der Bühne, die sich nun ständig dreht. Die Wohnung - immer vermüllter. Die Stimmen - immer verwirrender. Chaos im Kopf einer Traumatisierten. Und ihr Geheimnis? Hier sollte man auf die Nuancen im Text und vor allem auf die Musik achten - in dem Stress gar nicht so einfach. "Ich hoffe, dass ich das Publikum überfordere", sagt Nis-Momme Stockmann. "Ich finde, Überforderung ist sehr wahrscheinlich der beste Zustand, in den man durch Kunst geraten kann." Und das jedenfalls ist gelungen - mit einem genialen Ensemble und vielen überraschenden Momenten.
"Singularis"-Premiere in Göttingen: Viele überraschende Momente
"Singularis" ist geeignet, das Publilum zu überfordern. "Der beste Zustand", findet der Autor des Stückes, Nis-Momme Stockmann.
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Deutsches Theater Göttingen
Theaterplatz 11
37073 Göttingen