Der Schauspieler Samuel Weiss neben der Schauspielerin Ute Hannig auf einer dunklen Bühne. © Deutsches Schauspielhaus Hamburg Foto: Maris Eufinger
Der Schauspieler Samuel Weiss neben der Schauspielerin Ute Hannig auf einer dunklen Bühne. © Deutsches Schauspielhaus Hamburg Foto: Maris Eufinger
Der Schauspieler Samuel Weiss neben der Schauspielerin Ute Hannig auf einer dunklen Bühne. © Deutsches Schauspielhaus Hamburg Foto: Maris Eufinger
AUDIO: Realnische 0 im Schauspielhaus: "Gesetze schreddern" (4 Min)

Furioser Auftakt im neuen MalerSaal: Wenn Wale Mitspracherecht haben

Stand: 21.09.2024 09:00 Uhr

von Katja Weise

Rosig ist die Zukunft nicht - immer düsterer wird es auf dem Weg in die von der Künstlerin Julia Oschatz gestaltete die Realnische 0, die kleine Spielstätte im Hamburger Schauspielhaus, die bislang MalerSaal hieß. Dominieren auf dem schmalen Gang dorthin zunächst die poppig bunten Farben des Schauspielhaus-Marketings, schlucken plötzlich grau-schwarze Wände das Licht, wird mit Zeichnungen und Worten daran erinnert, dass die Null auch für das Ende steht, denn in der Realnische 0 stirbt eine Art.

Die Sprache der Wale dechiffrieren

Wie könnte ein ökologisches Grundgesetz aussehen? Diese Frage stellt Kevin Rittberger ins Zentrum seines Stückes "Gesetze schreddern. Eine klimagerechte Entsorgung des deutschen Grundgesetzes", denn das Klima hat sich dramatisch verändert seit der Abfassung des Grundgesetzes vor 75 Jahren. Meisterhaft dekliniert er die Problematik durch am Beispiel der Pottwale.

Weitere Informationen
Das Grundgesetz als Buch hängt schräg aus einem Regal raus © picture alliance/dpa Foto: Hendrik Schmidt

75 Jahre Grundgesetz: Veranstaltungen auch in SH

Das Grundgesetz und die Demokratie feiern Jubiläum. In Schleswig-Holstein wurde mitgefeiert und die Bedeutung der demokratischen Grundordnung unterstrichen. mehr

Mal angenommen, es gelänge, die Sprache der Wale zu dechiffrieren, zahlreiche Versuche gibt es bereits, und mit ihnen zu verhandeln? Über die Nutzung von Meeresraum, die Bohrung nach Öl? "Der spanische Ölkonzern Repsol hat heute bei einer Pressekonferenz mitgeteilt, das erste Gespräch mit einem Wal erfolgreich über die Bühne gebracht zu haben…", schallt es da auf der Bühne.

Die Natur als Geschäftspartner ernst nehmen

Und die Wale hätten, so der Ölkonzern, einer Bohrung nach Öl in ihrem bisherigen Habitat zugestimmt und würden - gegen Entschädigung - umziehen. Das klingt zunächst absurd, doch dahinter steht der keineswegs absurde Gedanke, die Natur als "Eigentümer" und damit Geschäftspartner ernst zu nehmen.

Dafür müsste allerdings Artikel 14 des Grundgesetzes umgeschrieben werden, in dem festgelegt wird, dass Eigentum dem Wohle der Allgemeinheit dienen solle. Und zwar wie folgt: "Das Eigentum und sein Gebrauch sind insbesondere dem sozialen und ökologischen Wohle der Allgemeinheit verpflichtet."

Weitere Informationen
Reporterin Sofia Tschernomordik berichtet aus Eckernförde. © Screenshot
3 Min

Naturfilme beim "Green Screen Festival" in Eckernförde

Bei der Abschlussgala werden die besten Filme gekürt. Sofia Tschernomordik ist live vor Ort und berichtet. 3 Min

Das Publikum wird mit einbezogen

Und noch einmal zum Mitschreiben, denn alle im Publikum sind aufgefordert, diesen neu formulierten Artikel im Grundgesetz zu ergänzen. Wie das? Jede und jeder hat ein Exemplar auf seinem Stuhl vorgefunden und einen Bleistift, denn der neue Gesetzestext ist ja noch nicht gedruckt.

Der Abend folgt den Ausführungen des Münchner Rechtswissenschaftlers Jens Kersten, der seine Gedanken zur ökologischen Umgestaltung des Grundgesetzes 2022 in Buchform herausgebracht hat. Die fantastischen, quasi mit allen Wassern gewaschenen Guides durch diesen komplexen Abend sind das Schauspielerduo Samuel Weiss und Ute Hannig. "Ich arbeite jetzt fürs Zeti, Mama. Gestern durfte ich Roboterfische steuern, die schwimmen zwischen den Walfamilien hin und her, damit wir orten können, wer wann spricht", erklärt Hannigs Figur.

Stück macht Lust auf die Auseinandersetzung

Was nach dystopischen Zukunftsfantasien klingt, kommt beim Publikum gut an: "Man kann sich wirklich vorstellen, dass in dem Moment, wo die Walsprache entschlüsselt ist, es irgendeinen Konzern geben wird, der sagt: Wir haben das Recht hier zu bohren", sagt eine Besucherin.

Nie wird dieses Gedankenspiel zu theoretisch, es bleibt Spiel, humorvolles Spiel. Kevin Rittberger, Ute Hannig und Samuel Weiss machen Lust auf Denken, auf Auseinandersetzung, scheuen nicht vor komplexen Fragen zurück und geben keine vorschnellen Antworten. Der von Isabel Oschatz ausschließlich mit Stücken aus dem Fundus ausgestaltete Raum ist ein zwar düsteres, aber wunderbares Spielfeld - und ein furioser Auftakt. So darf es gerne weitergehen mit der "Aufarbeitung der Zukunft" in der Realnische 0.

Weitere Informationen
Junge Menschen auf einem Bild des Backstage Festivals vom Schauspielhaus Hamburg 2025 © Matthis Röpke
3 Min

Backstage-Festival im Deutschen Schauspielhaus ist gestartet

Riesenapplaus für einen gelungenen Festivalstart: ein Karussell der Möglichkeiten, mit schön bissiger Ironie und viel Selbstkritik. 3 Min

Ein springendes Eichhörnchen. © Greenscreen Naturfestival Eckernförde Foto: Julian Rad

Green Screen Festival 2024 in Eckernförde: 100 Naturfilme im Programm

Das Festival in Eckernförde hat am Mittwoch begonnen. Auf was sich Naturfilm-Liebhaber im Programm freuen können. mehr

Ein Schauspieler und eine Schauspielerin der Theaterakademie auf der Bühne © Schauspielhaus Foto: Matthis Roepke
3 Min

Theaterakademie im Malersaal: "Hamlet - Zeit aus den Fugen"

Das Drama um den zweifelnden Dänenprinzen ist die Abschlussarbeit des Schauspieljahrgangs der Hochschule für Musik und Theater. 3 Min

Furioser Auftakt im neuen MalerSaal: Wenn Wale Mitspracherecht haben

Die kleine Spielstätte im Hamburger Schauspielhaus heißt jetzt Realnische 0 und will zukunftsrelevante Themen verhandeln.

Art:
Bühne
Datum:
Ende:
Ort:
Deutsches SchauSpielHaus MalerSaal
Kirchenallee 39
20099 Hamburg
In meinen Kalender eintragen

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Sonnabend | 21.09.2024 | 14:20 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Theater

Hände halten ein Smartphone auf dem der News-Channel von NDR Kultur zusehen ist © NDR.de

WhatsApp-Channel von NDR Kultur: So funktioniert's

Die Kultur Top-News aus Norddeutschland direkt aufs Smartphone: NDR Kultur ist bei WhatsApp mit einem eigenen Kanal aktiv. mehr

Eine Grafik zeigt einen Lorbeerkranz auf einem Podest vor einem roten Hintergrund. © NDR

Legenden von nebenan: Wer hat Ihren Ort geprägt?

NDR Kultur erzählt die Geschichte von Menschen, die in ihrer Umgebung bleibende Spuren hinterlassen haben - und setzt ihnen ein virtuelles Denkmal. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mann und Frau sitzen am Tisch und trinken Tee. © NDR Foto: Christian Spielmann

Tee mit Warum - Die Philosophie und wir

Bei einem Becher Tee philosophieren unsere Hosts über die großen Fragen. Denise M‘ Baye und Sebastian Friedrich diskutieren mit Philosophen und Menschen aus dem Alltag. mehr

Mehr Kultur

Sänger Maxim von der Band The Prodigy während eines Auftritts in Kopenhagen 2023. © picture alliance / Gonzales Photo/Nikolaj Bransholm Foto: Gonzales Photo/Nikolaj Bransholm

Hurricane Festival: The Prodigy, Apache 207 und Sam Fender 2025 dabei

Die englische Elektro-Punk-Band The Prodigy und ein Who-is-Who der deutschen Pop- und HipHop-Szene haben sich für kommendes Jahr angekündigt. mehr

Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage zum Fachkräftemangel: Müssen wir alle länger arbeiten?