"Frau Bachmanns kleine Freuden" im Ohnsorg-Theater in Hamburg
Zur Spielzeiteröffnung bringt das Ohnsorg-Theater in Hamburg ein temporeiches Stück mit viel Witz auf die Bühne. Meike Meiners glänzt als rüstige Rentnerin im Unruhestand.
Sandwiches mit Eiersalat oder Gurken, dazu Eistee. Das ist der kleine Snack, den die rüstige Rentnerin Eva Bachmann alias Meike Meiners allen ihren Gästen anbietet. Seit geraumer Zeit im (Un-)Ruhestand, geht die ehemalige Berufsberaterin einem eher ungewöhnlichen Hobby nach: Sie lädt Handelsvertreterinnen und -vertreter zu sich nach Hause ein. Allerdings nicht, um bei ihnen etwas zu kaufen, sondern um mit ihnen zu plaudern, ihnen Ratschläge zu geben und ihnen mit dem einen oder anderen Lebenstipp auf die Sprünge zu helfen. So gerät auch der junge Verkäufer von Garagentoren, Timo Werner (gespielt von Marco Reimers), in die wohlmeinenden Fänge von Frau Bachmann. "Se sünd woll nicht tofällig so'n Oort Kundin, de ut Gewohnheit nienich wat köfft, man de unschüllig Vertreders dorto verföhrt, Sie ahn Utsicht op Erfolg to besöken?" hört man den jungen Vertreter noch sagen. Doch schon kurze Zeit später schüttet er der Rentnerin sein Herz aus und erzählt, wie unglücklich er eigentlich in seinem Job ist.
Ab auf die Couch!
Handelsvertreterin aus Leidenschaft ist hingegen Kira Hanke (gespielt von Lara-Maria Wichels). Im Verkauf von Solar-Panelen geht sie voll auf. Sie ist froh, beruflich etwas zu tun, "dat dorto bidrägen warrt, den Planeten to retten un wedder hertostellen". Doch privat ist auch sie unglücklich: ihr Freund hat sie betrogen. Und so sitzt sie, nachdem sie mit ihm Schluss gemacht hat, weinend bei Frau Bachmann auf der Couch, während sie ein Papiertaschentuch nach dem anderen aus der Vorratsbox zieht und ihre Nase schnäuzt. Frau Bachmann wiederum ist voll in ihrem Element. Sie tröstet Kira, lässt sie sogar bei sich einziehen und beginnt, ihre Fäden zu spinnen. Sie bringt alle Beteiligten zusammen, taktiert zuweilen mit List und sorgt am Ende dafür, dass alles gut wird. Auf allen Seiten.
Die großen Fragen des Lebens
Insgesamt sind es die mitunter großen Fragen des Lebens, die bei "Frau Bachmanns kleine Freuden" auf die Bühne kommen - wohlverpackt in einzelnen Schicksalen und Rollen. Wie fülle ich meinen Lebensabend mit Sinn? Das ist eine Frage, die sich wohl jeder Ruheständler irgendwann stellt. Für die noch jüngeren Menschen, die Berufstätigen, fragen sich nach dem Sinn des Jobs. Ist er Beruf oder Berufung? Mach ich ihn aus Leidenschaft oder allein zum Geldverdienen? Was wiegt mehr: berufliche Erfüllung oder privates Glück? Wie bringe ich beides in Einklang und was ist Glück überhaupt? Frau Bachmann zumindest hat ihr Glück und ihre Erfüllung gefunden. Sie tut das, was sie am besten kann: sie hilft Menschen, damit sie sich selbst finden können - und zuweilen auch zueinander.
Neues Stück in Klassiker-Manier
"Frau Bachmanns kleine Freuden" ist zwar ein neues Stück fürs Ohnsorg, könnte aber mit der Geschichte, die erzählt wird, durchaus auch als Ohnsorg-Klassiker durchgehen. Es ist nur zu vermuten, dass Heidi Kabel selbst wohl ihre wahre Freude an diesem Stück gehabt hätte - vor allem in der Rolle der Frau Bachmann. Beherzt und wie auch sonst schauspielerisch brilliant spielt Meike Meiners ihre Eva Bachmann - und es ist wohl nicht nur ihrer blonden Perücke zu verdanken, dass sie dabei gelegentlich sogar selbst an Heidi Kabel erinnert.
Tränenreiche Verzweiflung und jugendlicher Verliebtheit
Auch Marco Reimers beweist als junger Garagentor-Verkäufer Timo Werner wieder einmal sein großes schauspielerisches und komödiantisches Talent. Seit dieser Spielzeit darf er es nun auch als festes Mitglied des Ohnsorg-Ensembles unter Beweis stellen. Herrlich zwischen tränenreicher Verzweiflung auf der einen und jugendlicher Verliebtheit auf der anderen Seite kann auch Lara-Maria Wichels als junge Solar-Panel-Verkäuferin Kira Hanke überzeugen. Leider etwas hölzern hingegen kommt Colin Hausberg als (hochdeutsche) Handelsvertreter-Koryphäe mit dem großen Verkaufstalent daher. Die Entdeckung des Abends aber ist Oliver Warsitz, der den Vater von Kira spielt. In seiner Rolle als Selfmademan und Banker, dem acht Banken gehören, macht ihm keiner etwas vor - und diesen Eindruck vermittelt er auch auf der Bühne. Es ist das erste Mal, dass Warsitz auf der großen Ohnsorg-Bühne zu erleben ist, doch sein Auftritt macht Lust auf mehr. Noch vor seiner Karriere als professioneller Schauspieler hat Warsitz an niederdeutschen Amateurbühnen gespielt. Eine Tatsache, die ihm, der ein tolles und mit authentischem Zungenschlag gesprochenes Platt auf die Bühne bringt, nun zugute kommt.
Plattdeutsch? Plattdeutsch!
Wieviel Hochdeutsch verträgt das Plattdeutsche Theater? Und: lockt ein größerer Hochdeutsch-Anteil mehr Menschen in das Ohnsorg-Theater? Das sind Fragen, die in den vergangenen Monaten vielerorts diskutiert wurden. Mit Spannung erwartet wurde nun, wie groß der hochdeutsche Anteil in dieser ersten Inszenierung der neuen Spielzeit sein würde. Und tatsächlich: "Frau Bachmanns kleine Freuden" beginnt mit einem minutenlangen Dialog, bei dem man sich fragt, in welchem hochdeutschen Boulevard- oder Komödientheater man hier nun gelandet sei. Es bleibt jedoch die weitgehend einzige, längere hochdeutsche Passage. Denn schließlich stellen die Protagonisten auf der Bühne fest, dass sie ja beide Platt snacken können - und das dann im Folgenden auch tun.
Was bringt so eine hochdeutsche Einleitung nun? Immerhin bekommt der des Plattdeutschen überhaupt nicht kundige Besucher des Ohnsorgs in dieser ersten Szene mit, dass ein Handelsvertreter zu Besuch kommt, der sich darüber wundert, wofür Frau Bachmann denn ein Garagentor braucht, wenn sie doch in einer Etagenwohnung wohnt. Es sei mal dahingestellt, ob das ein normalverständiger Mensch nicht vielleicht auch auf Plattdeutsch verstanden und sich dann von Anfang an mehr in einem plattdeutschen Theater gewähnt hätte.
Sei's drum! "Frau Bachmanns kleine Freuden" ist ein Stück, das man auf jeden Fall gesehen haben sollte: ein kurzweiliger, toll gespielter, alles in allem haupsächlich plattdeutscher Abend, den man nur jedem ans Herz legen kann. Unbedingt hingehen!
"Frau Bachmanns kleine Freuden" im Ohnsorg-Theater in Hamburg
Eiersalat, Eistee und eine Menge Heidi-Kabel-Vibes: Das Ohnsorg-Theater eröffnet die neue Spielzeit.
- Art:
- Bühne
- Datum:
- Ende:
- Ort:
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Ohnsorg-Theater
Heidi-Kabel-Platz 1
20099 Hamburg - Telefon:
- 040/35 08 03 0
- Preis:
- ab 22 Euro
- Hinweis:
- Inszenierung: Harald Weiler
Bühnenbild & Kostüme: Beate Zoff
Besetzung: Meike Meiners (Eva Bachmann), Marco Reimers (Timo Winter), Lara-Maria Wichels (Kira Hanke), Oliver Warsitz (Jan Hanke, ihr Vater), Colin Hausberg (Wendelin Schulz)