Sonja Anders steht vor dem Eingang des Hamburger Thalia Theaters. © picture alliance / dpa Foto: Christian Charisius

Sonja Anders: Neue Ideen und Gefühle für das Thalia Theater

Stand: 26.04.2024 16:18 Uhr

2025 wird Sonja Anders als Intendantin von Hannover nach Hamburg ans Thalia Theater wechseln. Als Nachfolgerin von Joachim Lux hat sie sich jetzt in der Reihe "Hamburger Gespräche" der Claussen-Simon-Stiftung vorgestellt.

von Peter Helling

Mit einem saloppen "An die Arbeit" zieht sich Sonja Anders die Jacke aus und geht ans Pult. Schon mal ein guter Start vor ihrem Hamburger Publikum, hier im feinen Ambiente der Hochschule für Musik und Theater. Sie hält eine rund zwanzigminütige Rede über Theater in Krisenzeiten: Das sei schon bei den alten Griechen so gewesen. Krise, meint sie, lasse sich auch "freudig" erzählen.

"Ich wünsche mir, dass das Theater zum Dialog anregt. Auch was schenkt, vielleicht auch was herschenkt, wie so ein Gefühl dafür, wie Gemeinschaft funktionierten könnte in Zeiten, in denen Gemeinschaft so schlecht funktioniert, oder in denen auch viele Menschen Angst haben, sich in Gemeinschaft zu begeben", sagt die Noch-Intendantin des Schauspiel Hannover nach der Veranstaltung.

Sonja Anders will der Stadt den Puls fühlen

Ängste nehmen, das sei ihr wichtig. Die gelernte Dramaturgin ist eine kluge Frau des Wortes - kommt aber völlig unverkopft rüber. Der erste Eindruck: Sie will wirklich ins Gespräch gehen, auch kämpferisch, wenn es um die Demokratie geht. Will Empathie zeigen, der Stadt den Puls fühlen - Hamburg sei schließlich anders als Hannover, sagt sie schmunzelnd. "Ja, Hannover ist - tatsächlich - die kleine Schwester, aber schon die bequeme kleine Schwester. Hamburg hat natürlich Bruchlinien, die krachen. Auch Hamburg hat ein großes Problem, zum Beispiel beim Thema Wohnen. Das ist ja eklatant für unsere Kultur: Wer wohnt überhaupt noch in der Stadt, und wer kann sich das nicht mehr leisten?"

Es klingt nach Kulturwandel

Im Gespräch mit Regina Back von der Claussen-Simon-Stiftung und der Regisseurin Lena Reissner erlebt man eine gute Zuhörerin, die wirklich etwas verändern will. Ihre Bühne in Hannover zeichnet sich durch ein diverses Ensemble aus, durch Themen und Stoffe junger Autoren und Autorinnen, durch flache Hierarchien, durch Geschlechtergerechtigkeit. Klingt nach einem Kulturwandel gegenüber der Ära Joachim Lux.

"Ja, das nehme ich schon sehr wahr, und ich nehme vor allen Dingen wahr, dass Joachim überhaupt kein versperrter Mensch ist, was das angeht. Ich glaube, es ist einfach Zeit, dass dann neue Ideen reinkommen und neue Gefühle. Das kann ich mit ihm sogar im Austausch gut verhandeln."

Einfach machen, nicht schwadronieren

Sympathisch: Sie beteiligt sich nicht an der erhitzten Debatte nach dem Boykottaufruf des Netzwerks Pro Quote Bühne: Das hat gerade Lux vorgeworfen, er habe zu viele männliche Regisseure im Programm. Anders sagt im Gespräch ohne Zögern, dass sie Mutter dreier Kinder sei - auch ein neuer Ton. Ein diverses Ensemble? Für sie selbstverständlich. Einfach machen, sagt sie, nicht lange schwadronieren. Und bloß nicht von oben herab.

"Natürlich müssen wir trotzdem auch provozieren mit ungewohnten Bildern oder ungewohnten Geschichten. Ich glaube nur, dass die Gesellschaft gerade gar nicht das Wachrütteln braucht, sondern eher eine Fixierung auf Lösungswege, auf Gedanken, die helfen. Ich kann mich überhaupt nicht erinnern, dass eine Gesellschaft nach dem Ende des Nationalsozialismus' so zerrüttet war wie jetzt", sagt Anders.

Wechsel nach Hamburg ist etwas Besonderes

Das Thalia Theater kennt sie schon lange, auch als Chefdramaturgin. 2025 wird sie das Intendanz-Büro, das Machtzentrum der Bühne am Alstertor beziehen. Das sei schon etwas besonders: "Ja, ich mag auch diesen Wechsel in meiner Biographie gerne. Ich denke manchmal, ich hab ihn vielleicht sogar zu spät gemacht - auch typisch Frau."

Sie möge es, "gemeinsam mit meiner Dramaturgie Spielpläne auszudenken. Ich mag auch das Führen gern, ich mag es, auf der Bühne der Technik zu begegnen, und ich weiß, die Jungs müssen sich jetzt gut benehmen. Ich finde, es ist ein Riesengeschenk, so einen Betrieb in Gänze zu betreten", sagt die gebürtige Hamburgerin und fügt lachend hinzu: "Das Intendanzbüro, jo, das muss man halt ein bisschen renovieren jetzt."

Das lässt sich auch auf das Theater insgesamt übertragen. An die Arbeit! Und die beginnt für Sonja Anders schon jetzt, mit der Vorplanung für ihren Start am 1. August 2025 in Hamburg, mit Vorsprechen und Stückesuche.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Kulturjournal | 26.04.2024 | 19:00 Uhr

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