Blick über den Beckenrand: "22 Bahnen" im Rostocker Ateliertheater
Ganz bewusst hat sich Regisseurin Konstanze Kappenstein dafür entschieden, keine betrunkene Mutter auf der Bühne zu zeigen. Und doch entstehen ganz viele Bilder im Kopf des Publikums - auch dank des intensiven Spiels von Ellen Neuser.
Im Rostocker Ateliertheater ist die ganze Bühne das Schwimmbad. Blaue Folie bedeckt den Bühnenboden, von der Decke hängen Streifen transparenter Folie, die in Bewegung wie Wellen wirken. Lichtinstallationen verstärken das Gefühl, die Figuren würden sich im Wasser bewegen.
Das Publikum wird zum Gegenüber
Im Ateliertheater mit 78 Zuschauerplätze gibt es nur einen kleinen Abstand von der Bühne bis zum Publikum. Für Hauptdarstellerin Ellen Neuser hat das Vorteile: "Ich finde es sehr schön, dass das Publikum so nah ist, weil es ja auch ein Großteil des Stücks meine Spielpartner oder meine Spielpartnerinnen sind." Am 25. Januar feiert das Stück seine Uraufführung, die Vorstellungen bis Anfang April sind schon jetzt ausverkauft.
Seit zwei Jahren ist die heute 27-Jährige im Volkstheater Rostock fest engagiert. In ihrer Rolle als Tilda wechselt sie in dem Stück "22 Bahnen" nach dem gleichnamigen Roman von Caroline Wahl innerhalb kurzer Zeit zwischen den Emotionen: von Albernheiten mit der kleinen Schwester Ida, zur scheuen Neugierde gegenüber dem gut aussehenden Jungen Viktor, bis hin zu Panik um den Gesundheitszustand ihrer alkoholkranken Mutter.
Bewusste Straffung der Romanvorlage
Bei der Umsetzung der Romanvorlage haben die Theaterleute für die Rostocker Inszenierung gestrafft, ganze Handlungsstränge hat Regisseurin Konstanze Kappenstein gestrichen: "Für mich war sehr klar, ich möchte die Mutter nicht abbilden", erzählt sie. Sie habe keine betrunkene Frau auf der Bühne darstellen wollen. Die Figur solle in den Köpfen des Publikums entstehen. "Es war eine ganz bewusste Entscheidung nur über die Mama zu reden, aber die Mama nicht zu zeigen", erklärt Konstanze Kappenstein weiter.
Wie dem Erfolgsroman ergibt sich auch in dem Stück für Tilda die Möglichkeit, beruflich nach Berlin zu gehen. Aber wer soll dann auf ihre Schwester Ida aufpassen? Und was wird aus der aufkeimenden Liebe zu Viktor? Wird Tilda den Blick über den Beckenrand wagen?
Regisseurin Konstanze Kappenstein jedenfalls hofft, dass diejenigen, die bereits den Roman gelesen haben, mit der Theaterfassung neue Aspekte der Geschichte entdecken können.