"Wer hat Angst vor Virginia Woolf?": Nichts für schwache Nerven
Ein brutaler Ehekrieg auf offener Bühne: Weltbekannt geworden ist "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ von Edward Albee durch die Verfilmung mit Liz Taylor und Richard Burton. Jetzt hatte dieser moderne Klassiker von 1961 im Ernst Deutsch Theater in Hamburg Premiere.
Ein Ehekrieg, wie man ihn aus keinem anderen Theaterstück kennt: Er ist hochtoxisch und schädlich wie der Bourbon, der hier gefühlt literweise gekippt wird. Ein alterndes, kinderloses Ehepaar (Anika Mauer und Luc Feit) kommt um zwei Uhr früh von einer Party und hat noch zwei späte Gäste (Nayana Heuer und Lennart Hillmann), 20 Jahre jünger, zu sich eingeladen. Der Spaß beginnt:
"Arschloch!"
"Ach hallo! Sie müssen unsere lieben Gäste sein. Den könnt ihr getrost ignorieren!"
Bühnenzitat
"Wer hat Angst vor Virginia Woolf?": Hochtoxisch und hasserfüllt
George und Martha spielen ihre giftigen Spiele. Das junge Pärchen dient als Publikum und hilflos-schockierte Zeugen. Anika Mauer und Luc Feit verkörpern die beiden Raubtiere - um keine Gemeinheit verlegen - hochpräsent: beide in Abendgarderobe als elegante Herrscher ihres hasserfüllten Reichs. Pikant: Sie ist die Tochter des Rektors der Uni, an der George als Geschichtsdozent arbeitet. Er ist in ihren Augen ein Versager. Vor allem aber gaukeln die beiden ihren Gästen und sich selbst die allergrößte Lüge vor, sie hätten einen Sohn.
"Martha, hör auf!"
"Du wirst dir wünschen, du hättest unseren Sohn nie erwähnt!"
"Du bist ein Monster."
Bühnenzitat
Ensemble spielt hellwach und dicht
Regisseur Harald Weiler verlegt die Handlung auf die Terrasse einer luxuriösen Villa, Marke Barcelona-Pavillon. Das vierköpfige Ensemble spielt hellwach und dicht: die ganze Gefühlsklaviatur von Schock zu Entsetzen, von Sadismus zu - das auch - tiefer Liebe. Denn plötzlich wird klar: George und Martha können nicht ohne und nicht miteinander. Irgendwann tanzen sie ganz leise miteinander - der schönste Moment an diesem eiskalten Abend.
"Martha und ich? Wir haben gar nichts. Wir üben bloß. Wir demonstrieren das bisschen Hirn, das uns noch bleibt. Nehmen Sie es einfach zur Kenntnis." Bühnenzitat
In den 1960er-Jahren stecken geblieben
Das Stück funktioniert, aber es wirkt trotzdem erstarrt, von vorgestern, denn der Käfig Ehe ist 1961 anders als heute. Dadurch ist die Sprengkraft von damals heute nicht mehr spürbar. Man fragt sich: Warum verlasst Ihr euch nicht endlich? Was regt Ihr euch so auf? War da was? Auch die Frauenfiguren wirken konventionell, pendeln zwischen Mäuschen und Biest.
"Ich verachte Sie. Sie widern mich an."
"Weil Sie meine Frau bespringen, widere ich Sie an?"
"Du Drecksau."
Bühnenzitat
Nichts für schwache Nerven, aber dem Publikum gefällt es. Nur schade: Das Regie-Team hätte das Stück radikaler ins Heute verlegen können - in Zeiten von Social Media. So wirken die Vier wie exotische Tiere im Zoo. Dabei ist Beziehungshass ein Spiel, das gerade auf allen Ebenen öffentlich betrieben wird. Das Stück sollte mehr wehtun und nicht nur Spaß machen. So bleibt es nacherzählt, bleibt in seiner Entstehungszeit haften.
"Wer hat Angst vor Virginia Woolf?": Nichts für schwache Nerven
Ein brutaler Ehekrieg auf offener Bühne: Der moderne Klassiker von 1961 hatte am 16. Januar Premiere im Hamburger Ernst Deutsch Theater.
- Art:
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- Ende:
- Ort:
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Ernst Deutsch Theater
Friedrich-Schütter-Platz 1
22087 Hamburg