Karin Beier vor einer grünen Wand mit der Aufschrift "Deutsches Schauspielhaus Hamburg" © Marcus Brandt/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Theater des Jahres: Karin Beier über "Theaterkönigin Lina Beckmann"

Stand: 23.08.2024 14:45 Uhr

Das Deutsche Schauspielhaus Hamburg ist zum Theater des Jahres 2024 gewählt worden. Die Antikenserie "Anthropolis" wurde in vielen Kategorien ausgezeichnet. Karin Beier, Intendantin des Schauspielhauses, hat also viel Grund zur Freude.

Karin Beier vor einer grünen Wand mit der Aufschrift "Deutsches Schauspielhaus Hamburg" © Marcus Brandt/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Die fünf Abende der "Anthropolis"-Reihe waren herausragend. Da konnte man nicht dran vorbeigekommen. Frau Beier, sind Sie jemand, dem solche Auszeichnung wichtig sind?

Karin Beier: Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass mich das nicht hoch erfreut. Es ist ein sehr großes, sehr arbeitsaufwendiges Projekt gewesen. Womit wir nicht gerechnet haben, ist, dass wir in so vielen Kategorien eingeheimst haben: Lina, der Autor, die Inszenierung und Theater des Jahres. Am meisten freue ich mich tatsächlich über Theater des Jahres, denn letztendlich sind alle 400 Mitarbeiter des Theaters an so einem Projekt beteiligt. Das ist ein sehr großer Aufwand gewesen, weil wir es über zwei Jahre neben unserem normalen Spielplan probiert haben. Das heißt, dass unsere technischen Abteilungen, die Werkstätten in zwei Spielzeiten mehr oder weniger doppelte oder zusätzliche Arbeit geleistet haben. Deswegen freue ich mich, dass das ganze Theater ausgezeichnet ist. Das ist mir sehr wichtig.

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Haben Sie zwischendurch auch mal daran gezweifelt, dass etwas Gutes daraus wird?

Beier: Glücklicherweise denkt man beim Proben nicht so. Mir haben einige hinterher gesagt, sie hätten ihre Zweifel gehabt, ob das aufgeht. Wenn die erste Folge danebengegangen wäre, wäre keiner mehr gekommen. Glücklicherweise haben wir so nicht gedacht - das ist aber vielleicht einer gewissen Naivität geschuldet. Ich glaube, wenn man im Probenprozess ist, ist man so auf die Inhalte fokussiert, dass man gar nicht darüber nachdenkt: 'Oh Gott, was passiert, wenn?' Wir wurden nicht von Zweifeln gebeutelt, aber auch nicht von dem Gedanken: 'Das wird schon.' Es waren im Prinzip fünf normale Arbeiten, nur, dass wir sie auf Halde gelegt haben und in kurzen Abständen 'rausgebracht haben.

"Anthropolis" ist im Vorfeld beschrieben worden als die Antwort des Theaters auf Netflix. Ich kann als Zuschauerin sozusagen Binge-Watching betreiben und mir an einem Wochenende alle fünf Teile anschauen. Können Sie mit so einem Vergleich etwas anfangen?

Beier: Wir haben den selbst ein bisschen provoziert. Wir haben gesagt, wir produzieren eine Serie mit griechischer Mythologie. Aber ich glaube, wir sind politisch und inhaltlich doch ein bisschen woanders unterwegs.

Lina Beckmann sei die Theaterkönigin, schreibt der "Spiegel", und es ist auch wirklich bemerkenswert, dass sie in der Umfrage mehr als die Hälfte der Stimmen bekommen hat. Wie erklären Sie sich das?

Beier: Sie ist die Beste. Sie ist die Theaterkönigin. Lina ist ein absolutes Ausnahmetalent, muss man wirklich sagen. Das wissen wir schon ziemlich lange, und ich finde das absolut wohlverdient. Lina und ich kennen uns seit fast 20 Jahren. Wir haben in Zürich schon zusammengearbeitet. Jörg Gollasch ist auch jemand, mit dem Lina und ich sehr viel zusammen gemacht haben. Das heißt, diese Proben mit uns dreien waren ein bisschen wie Jam-Sessions. Das war eine wahnsinnig befruchtende, außergewöhnliche Arbeit.

Unabhängig davon, dass wir uns so gut kennen und so gut miteinander arbeiten können, ist Lina einfach eine Schauspielerin, die alles kann. Sie ist eine unglaubliche Komödiantin, eine unglaubliche Tragödin, ist sehr fantasiereich, ist auf jeder Probe zu 100 Prozent da - da gibt es kein "sich schonen", keine Minute. Sie zweifelt an sich selbst, arbeitet an sich. Es gibt niemanden, der das mehr verdient hat, als sie.

Animieren diese Auszeichnungen Sie, weiter nach klassischen Stoffen zu suchen, oder wollen Sie jetzt etwas anderes machen? Vielleicht ein aktuelles Thema?

Beier: Ich würde gar nicht so differenzieren zwischen klassischen Stoffen und aktuellen Themen. Diese klassischen Stoffe sind nicht einfach übersetzt, sondern wir standen in einer Dauerkommunikation über politische Situationen heute. Ich finde, auf Basis dieser Mythologie sind diese Stoffe superaktuell. Roland Schimmelpfennig ist auch ein moderner Autor, der "Laios" erfunden hat. Das Stück gab es überhaupt nicht. Es ist keine Übersetzung, es gab einfach nur die Mythologie. Ich mache als nächstes einen Brecht. Das ist zumindest 20. Jahrhundert.

Ich bin sehr offen für neue Stoffe, liebe es aber auch, in der Antike zu arbeiten. Gerade die griechische Antike mag ich sehr gerne. Darf ich noch mal Leute erwähnen? Die Kostümbildnerin Wicke Naujoks, Roland Schimmelpfennig, Johannes Schütz, meine Dramatugin Sibylle Meier, die zwei Jahre lang mit mir diskutiert hat, und Jörg Gollasch als Musiker sind sehr beteiligt am Erfolg. Deswegen wollte ich einfach, dass die auch mal eine Nennung bekommen.

Das Gespräch führte Franziska von Busse.

 

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NDR Kultur | Journal | 22.08.2024 | 17:30 Uhr

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