Nach Vorfall am Theater Stralsund: "Dieses Haus ist nicht homophob!"
"Eklat am Theater in Stralsund" oder "Wegen Kuss: Theater in Stralsund schmeißt lesbisches Paar raus" - so lauteten die Schlagzeilen in den vergangenen Tagen. Ist es so einfach? Ein Gespräch mit dem Intendanten Ralf Dörnen.
Nachdem sich das Publikum des Theaters in Stralsund am 1. Juni von einem lesbisches Pärchen gestört fühlte, wurden die beiden Frauen von einer Mitarbeiterin des Hauses zurechtgewiesen. Das verstanden sie als Rausschmiss und verließen daraufhin das Theater.
Intendant Ralf Dörnen stellt im Interview klar, dass es dabei nicht um die Sexualität des Pärchens ging: "Es ging darum, dass die Veranstaltung gestört wurde."
Herr Dörnen, was ist tatsächlich passiert? Wie würden Sie den Vorfall aus Ihrer Sicht beschreiben?
Ralf Dörnen: Wir haben recherchiert, weil ich von allen Seiten hören musste, was geschehen ist. Es gibt ein paar Darstellungen, die nicht kongruent sind - das ist natürlich von allen Seiten ein bisschen gefärbt. Ich war nicht dabei. Was ich weiß, ist, dass unsere Mitarbeiterin sich an dem Abend falsch verhalten hat. Sie hätte zu ihrer Vorgesetzten gehen müssen und sagen müssen, dass sich Besucher*innen über zwei Damen beschwert haben, die in der ersten Reihe saßen. Sie hätte dann fragen müssen, wie wir damit umgehen. Das hat sie nicht getan. Sie ist gleich hingegangen und hat die anscheinend in einem nicht sehr freundlichen Ton zurechtgewiesen - sie hätten geknutscht und getrunken. Dann ist das sehr schnell eskaliert. Das war sicherlich falsch.
Aber was mich wahnsinnig stört, ist, dass das als homophober Vorfall hochgespielt wird, weil unser Haus alles andere als homophob ist. Wir haben vor kurzem eine Regenbogenparty gemacht und wir haben die Regenbogenflagge vor der Tür. Ich bin selber schwul - das wissen auch alle. Ich weiß das auch von meinen Mitarbeitern: Ich bin seit 26 Jahren hier am Haus, dieses Haus ist nicht homophob.
Es ging nicht darum, dass es zwei Frauen waren, sondern dass zwei Menschen in der ersten Reihe saßen, die durch ihr Verhalten sowohl Publikum als auch die Künstler auf der Bühne gestört haben. Das habe ich hinterher auch von Musikern, die auf der Bühne saßen, gehört: Sie fühlten sich von dem Verhalten gestört.
Haben Sie auch Kontakt mit den beiden Betroffenen gehabt?
Dörnen: Mit einer Dame habe ich gesprochen. Wir haben sie angerufen, und ich habe das ähnlich, wie ich es Ihnen jetzt sage, dargestellt. Sie sieht das naturgemäß anders, sie fühlt sich homophob angegriffen. Ich habe mehrmals gesagt: Nein, das glaube ich nicht. Es ging niemals darum, dass es zwei Frauen sind. Es ging darum, dass die Veranstaltung gestört wurde und nicht um deren Sexualität.
Aber der Vorfall ist von der Mitarbeiterin falsch behandelt worden. Ich habe mich mehrmals dafür entschuldigt. Das ist nicht richtig kommuniziert worden.
Hat das für die Mitarbeiterin noch weitere Konsequenzen?
Dörnen: Wir müssen jetzt mit der Mitarbeiterin selber noch mal reden. Das war bisher nur telefonisch möglich, da das eine externe Mitarbeiterin ist. Wir werden sicherlich Regeln aufstellen, dass sie so etwas nicht alleine zu entscheiden hat, sondern dass sie zumindest erst mit ihrer Vorgesetzten sprechen muss.
Es wurde aus Ihrer Sicht vorschnell von Homophobie gesprochen. Kritik an Ihrem Vorgehen gab es unter anderem von dem Linken-Politiker Niema Movassat, der bei Twitter geschrieben hat: "Wir leben wahrlich in dunklen, intoleranten und gefährlichen Zeiten. Solange in diesem Land nicht Taliban oder ein prüdes Regime regiert, darf man sich küssen, wo man will." Welche weiteren Reaktionen gab es auf den Vorfall? Ist von außen viel auf Sie zugekommen?
Dörnen: Da ist natürlich wahnsinnig viel passiert. Ich habe ehrlich gesagt nicht alles gelesen, weil ich das irgendwann einfach nur noch albern fand. Dazu kann Ihnen unser Pressesprecher Benjamin Glanz etwas sagen.
Benjamin Glanz: Die Nachricht über den Vorfall hat sich sehr schnell zuerst in den sozialen Medien verbreitet. Wir waren da mit Kommentaren und Nachfragen konfrontiert. Am Wochenende kamen viele E-Mails mit empörten Reaktionen. Teilweise gab es auch Beiträge, die sehr konstruktiv, aber kritisch formuliert waren, bis hin zu Beschimpfungen. Es war also die ganze Bandbreite dabei an Emotionen.
Dass die Damen ihrem Ärger über die sozialen Medien Luft gemacht haben, können wir auch ein Stück weit nachvollziehen. Und dass sich da eine Dynamik entwickelt, ist in heutigen Zeiten relativ normal. Wir versuchen jetzt, das alles, so gut, wie es geht, der Reihe nach zu beantworten. Weitere Reaktionen kommen immer noch rein, klar.
Haben Sie auch Reaktionen von Ihrem Publikum bekommen?
Glanz: Es gab auch Reaktionen aus dem Publikum, die erstaunt darüber waren, dass so etwas an unserem Haus passiert, die sagen, sie seien seit langen Jahren Stammgäste und hätten unsere Mitarbeiter*innen vom Einlassdienst und das Garderobenpersonal bisher nie in irgendeiner Art und Weise homophob oder diskriminierend erlebt.
Herrn Dörnen, Sie kennen das Publikum in der Region sehr gut. In der "Ostsee-Zeitung" hieß es zum Beispiel, dass sich Besucher*innen von dem Kuss der beiden Frauen gestört gefühlt haben sollen. Wie schätzen Sie Ihr Publikum ein? Haben Sie den Eindruck, dass das ein konservatives Publikum ist?
Dörnen: Nein, ich muss das erstmal aufklären: Die haben sich nicht von dem Kuss alleine gestört gefühlt, sondern von dem Verhalten. Die haben sich geküsst, die haben aus mitgebrachten Flaschen getrunken - was man im Theatersaal nicht tut - und sie haben sich unterhalten. Das ist das, was mir auch die Künstler, die auf der Bühne saßen, erzählt haben. Die haben sich auch gestört gefühlt. Sie mussten sich übrigens sehr konzentrieren, weil sie Händel gespielt haben, was nicht sehr einfach ist.
Sie würden also nicht bestätigen, dass Sie ein sehr konservatives oder überempfindliches Publikum hätten, das womöglich homophobe Tendenzen hat, richtig?
Dörnen: Nein. Ich bin seit 26 Jahren hier und habe von Anfang an nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich schwul bin. Ich und auch meine Mitarbeiter*innen, die auch LGBTQ sind, haben damit keine Probleme hier am Haus und auch nicht mit den Besuchern. Ich bin in der Stadt ziemlich bekannt, und ich habe nie deswegen ein Problem gehabt. Ich weise das vehement zurück, dass dieses Haus homophob ist.
Das Interview führte Alexandra Friedrich.