Lessingtage: Hamburgs Kultursenator plädiert für Zuversicht
Pandemie, Klimakatastrophe, Krieg in der Ukraine - die Krisen sind da. Wie ihnen begegnen? Mit Zuversicht - dafür plädierte am Wochenende Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda bei den Internationalen Lessingtagen am Hamburger Thalia Theater in seiner Eröffnungsrede. Daneben gab es mehrere Deutschlandpremieren, wie "Totentanz" von der ukrainischen Performancegruppe Dakh Daughters.
Auf der Bühne stehen Häuserwürfel im Puppenstubenformat mit hell erleuchteten Fenstern. Erst auf den zweiten Blick wird deutlich, dass es sich um Rollkoffer handelt, noch verborgen hinter dieser friedlichen Fassade. Dann kommt der Krieg. Die Fenster färben sich rot - die Fassaden landen auf einem Trümmerhaufen. Sechs Frauen rennen mit den Koffern um ihr Leben. Die Dakh Daughters sind Schauspielerinnen, Musikerinnen, Performerinnen.
Sie erzählen Geschichten aus dem Kriegs-Alltag: von dem Mann, der erschossen wird, als er die Tür öffnet, dann vergewaltigen die russischen Soldaten seine Frau. Vielfach. Das Kind hockt wimmernd im Badezimmer. "Die Bilder, die durch das Spiel mit den Koffern entstanden sind und so immer was anderes dargestellt haben: Panzer, Grabsteine - das fand ich wahnsinnig eindrucksvoll", so eine Stimme aus dem Publikum. Eine andere meint: "Das ist einfach ein Abend, der einen auf allen Ebenen berührt."
Team aus Kiew thematisiert Krieg, Flucht und Entwurzelung
Viele im Publikum haben Tränen in den Augen. Der Regisseur Vlad Troitskyi, Tetiana Troitska und die Dakh Daughters beschreiben auch Flucht und Entwurzelung. Das aus Kiew stammende Team hat in Frankreich Zuflucht gefunden. Angst, Wut, Schmerz und eine unglaubliche Kraft stecken in diesem Abend. Am Ende bedankt sich das Ensemble für die Unterstützung der Ukraine. Eine Zuschauerin resümiert: "Ich habe gemerkt, wie stark künstlerische Auseinandersetzung uns Menschen hilft. Ich glaube, das ist einfach überlebenswichtig."
Kultursenator hält Rede über "Vernunft der Zuversicht"
Überlebenswichtig ist auch die Hoffnung. Wie können wir das Hoffen (wieder) lernen? Von dieser Frage ging Carsten Brosda in seiner Rede über die "Vernunft der Zuversicht" aus. Nicht ohne darauf zu verweisen, dass es uns hier in Deutschland vergleichsweise gut geht, immer noch. Trotzdem fehle angesichts der großen Krisen die Zuversicht. Deshalb, so Brosda, brauchen wir neue Geschichten und gerade für junge Menschen auch neue Träume, eine konkrete Utopie. "Das müssen wir als Gesellschaft beantworten, weil wir sagen können müssen, wofür es sich lohnt zu träumen. Denn nur dann lohnt es sich auch für etwas zu arbeiten und an etwas zu arbeiten. Ich glaube, an dieser Idee ist mehr dran, als wir momentan gesellschaftlich wahrhaben müssen", so Brosda.
Raum für wirkliche Auseinandersetzung - privat und öffentlich
Ein wichtiges Element auf dem Weg dorthin ist, folgt man Brosda, das Gespräch, die wirkliche Auseinandersetzung, privat und öffentlich. Dafür müssten Räume und Raum geschaffen werden. Von der Politik forderte er in dem Zusammenhang Mut zur Vision und zur Zuversicht. Die Kunst könne entscheidend dazu beitragen, beides zu entwickeln. Denn hier würden Geschichten erzählt, von Veränderung und Aufbruch. Ebenfalls wichtig: zuhören. "Wir können so vernünftig sein, zuversichtlich zu bleiben. Wir können die Welt neu denken", so Brosda. "Wenn wir gemeinsam auf die Suche nach Antworten gehen, dann werden wir auch welche finden."