Hamburg Ballett: Viel Applaus und Bravos für "Jane Eyre"
Am Sonntag hat das Ballett "Jane Eyre" nach dem weltberühmten Romanklassiker von Charlotte Brontë an der Hamburgischen Staatsoper Deutschland-Premiere gefeiert. John Neumeier hatte sich für die vorletzte Premiere unter seiner Intendanz einen Gast aus Zürich angefragt: Choreografin und Ballettdirektorin Cathy Marston.
Spannung von Anfang an – in der Musik, im Bühnenbild, das fast magisch ist und mit wenig sehr viel zeigt. Die in dunkles Licht getauchte Bühne ist leer. Wenn nicht ein Stuhl einen in ein Haus holt oder ein mit einem Laken abgedeckter Sessel wenig bewohnte Räume zeigt. Aber im Bühnenhintergrund ist eine zweite Ebene, die mitspielt, auf der sich Festgesellschaften einfinden, Internatsschülerinnen sitzen oder der bedrohlich-geheimnisvolle Turm entsteht, der Jane immer wieder beunruhigt. Eine beeindruckende Inszenierung. "Das Arrangement, die Szenenbilder - ich war einfach begeistert", schwärmt einer der Zuschauer und eine Frau aus dem Publikum meint: "Ganz, ganz großartig. Eine völlig andere Sprache als Neumeier. Es war wie im Film. Ein Erlebnis."
"Sehr nah am Roman 'Jane Eyre'"
Erzählt wird eine große Geschichte über eine starke Frau. Jane Eyre wächst als Waise auf. Sie wird als Kind von ihrer Pflegefamilie gedemütigt, kämpft sich durch ein strenges Internatsleben, wird Gouvernante und lernt bei ihrer Herrschaft ihre große, komplizierte, tragische Liebe kennen: Rochester. Die Inszenierung sei unglaublich lebendig und sehr nah am Roman, so die Stimmen der Premierengäste. "Ich habe mich gefragt, wie man so eine komplexe Geschichte auf die Bühne bringt", sagt eine Besucherin. "Ein paar Szenen mussten weggelassen werden, aber das hat der Geschichte keinen Abbruch getan."
Aus 600-Seiten-Roman wird zweistündiger Ballettabend
Choreografin Cathy Marston hat aus dem 600-Seiten-Roman einen nur zweistündigen Ballettabend gemacht - und sogar noch eine zentrale Szenerie dazugeschrieben: Die Gruppe der "D-Men" tritt immer wieder auf. "D" für "Death" (Tod) und "Demon" (Dämon). Die in grauen Anzügen gekleideten Tänzer erscheinen in Janes Fantasie. Sie wehrt sich gegen die Männer, die sie behindern wollen, von etwas abhalten. Und davon begegnen ihr einige auf ihrem Weg. Und da schliddert auch ein Roman aus dem 19. Jahrhundert mühelos in folgende Jahrhunderte. Aber Jane Eyre ist selbstbewusst, klug, ehrgeizig.
Hamburg Ballett beweist seine Klasse
Das Hamburg Ballett hat einmal mehr seine Klasse bewiesen, sich eingelassen auf eine andere choreografische Lesart. Alle sind wirklich gut. Ida Praetorius tanzt Jane Eyre sanft und selbstbewusst. Karen Azatyan ist ein Rochester zwischen Lässigkeit und Verzweiflung. Silvia Azzoni hat einmal mehr Charisma - auch als nervös-sympathische Haushälterin Mrs Fairfax und Anna Laudere tanzt Blanche Ingram, die vermeintliche Konkurrentin von Jane, mit großer Eleganz.
Cathy Marston hat ein ziemlich fantastisches Beispiel dafür geschaffen, wie man mit Tanz Geschichten erzählen kann – ganze Romane sogar. "Eine beeindruckende Darstellung", resümiert ein Premierengast. "Ich hätte vorher nicht erwartet, dass man die Geschichte ohne Worte so gut erklären kann."
Das Ballett "Jane Eyre" läuft in der Hamburgischen Staatsoper noch bis zum 9. Dezember 2023 und dann im Februar wieder. Karten kosten zwischen 6 und 109 Euro. Wer keine Zeit hat, vorher das Buch zu lesen: Auf arte gibt es "Jane Eyre" gerade als vierteilige Serie in der Mediathek.