Kopfüber in die Menge: Beeindruckende Jubiläums-Gala für John Neumeier
50 Jahre Ballett-Chef in Hamburg: John Neumeier und seine Compagnie feiern das gerade vier Wochen lang bei den Hamburger Ballett-Tagen. Am Donnerstag gab es die große Jubiläums-Gala - eine tiefe Verbeugung vor dem 84-Jährigen.
Die Herren hatten Fliege und Jackett aus dem Schrank geholt, viele der Damen waren in lang - Gala ist Gala, und schließlich wird nicht alle Tage ein Ballettchef gefeiert, der ein halbes Jahrhundert auf seinem Posten ist.
Rückblicke auf eine bewegte Karriere
Es war ein Abend der Geschichten. Ballettfotograf Kiran West hatte zum Start einen Film gemacht: John Neumeier ganz jung, am Anfang seiner Karriere, beim Choreografieren im Ballettsaal selbst manchmal als Tänzer nicht zu halten. Wunderbar anzusehen, mit vielen Schlaglichtern auf seine Karriere und Zitaten von John Neumeier, die im Kopf bleiben: "Es ist ein schreckliches Gefühl, wenn ich ein neues Ballett beginne, weil ich nicht weiß, ob mir überhaupt etwas einfallen wird. Man steht da wie neu. Die Leute stehen hinter dir und du sagst: Ja, wir müssen beginnen. Was machen wir?"
Vom kreativen Tief zu Balletten, die Geschichte geschrieben haben
Das Dilemma eines jeden Kreativen. John Neumeier ist viele Male durch dieses Tal gegangen. Rausgekommen sind Stücke, die weltweit Tanzgeschichte geschrieben haben. Ausschnitte daraus waren an diesem Abend zu sehen: "Bernstein Dances", die Matthäus-Passion, Nijinsky.
Jubiläumsgrüße von Wegbegleitern
Eine der größten Überraschungen war der Auftritt von Kevin Haigen und Ivan Liška: Mit 68 und 72 Jahren tanzten die beiden am Abend noch einmal den ersten Teil des sensationellen Pas de deux "Opus 100", den John Neumeier 1997 zu Ehren seines Freundes Maurice Béjart choreografiert hatte. Danach hielt es keinen mehr auf den Sitzen. Standing Ovations schon vor der Pause. Die gibt es an Neumeier-Abenden zwar verlässlich, aber meist erst am Schluss.
Vergabe des John Neumeier-Preises für Choreografie
Zum ersten Mal wurde auch der John Neumeier-Preis für Choreografie vergeben, gestiftet von der Hapag Lloyd-Stiftung. Er geht in diesem Jahr an Edvin Revazov. Der Star-Tänzer vom Hamburg Ballett hat das Hamburger Kammerballett gegründet, mit Tänzern und Tänzerinnen, die aus der Ukraine geflüchtet sind.
Kopfüber in die Menge - das geht auch mit 84!
Für ziemlich gute Laune sorgte Bariton Thomas Hampson zusammen mit Tänzern und Tänzerinnen aus der Ballettschule. Als die Schüler am Schluss ihre Mützen in die Luft warfen, blieb für einen Moment einfach die Zeit stehen. Genauso, als Jubilar John Neumeier es sich nicht nehmen ließ, sich zum Finale kopfüber von seinem Ensemble auf die Bühne heben zu lassen. Crowdsurfing mit 84. Das ist krass.
Die Ballett-Tage in Hamburg laufen noch bis zum 9. Juli. Sie sind gut verkauft, aber es gibt immer noch einige Restkarten, die Kosten liegen zwischen 13 und knapp 120 Euro.