Alessandra Ferri tanzt bei einer Probe. © Kiran West
Alessandra Ferri tanzt bei einer Probe. © Kiran West
Alessandra Ferri tanzt bei einer Probe. © Kiran West
AUDIO: Super-Ballerina Alessandra Ferri bei den Ballett-Tagen in Hamburg (3 Min)

Alessandra Ferri: Hauptrolle in "Nijinsky" - mit 60 Jahren

Stand: 29.06.2023 12:17 Uhr

Alessandra Ferri ist 60 Jahre alt - und steht in der Hamburger Staatsoper auf der Bühne, als Romola Nijinsky in John Neumeiers Ballett. Ihre Lebenserfahrung helfe ihr, ihren Rollen mehr Facetten zu geben.

von Annette Matz

Die Hamburger Ballett-Tage sind gerade in vollem Gange:  Zum 50. Jubiläum von Hamburgs Ballettchef John Neumeier laufen sie vier Wochen statt der üblichen zwei. Fans können jetzt noch 14 Tage lang Ballett satt auf der Bühne der Hamburgischen Staatsoper erleben. Am 27. Juni war Neumeiers "Nijinsky" zu sehen sein - ein magisches Ballett über den Jahrhundert- Tänzer Vaslav Nijinsky. Spektakulär: Die weibliche Hauptrolle tanzt Weltstar Alessandra Ferri. Sie ist gerade 60 Jahre alt geworden - für eine Tänzerin ein geradezu biblisches Alter.

Ferri tanzt die Rolle der Romola Nijinsky

Als Romola Nijinsky steht Alessandra Ferri auf der Bühne - als Frau an der Seite des weltberühmten Tänzers, der nach einer kurzen, legendären Karriere dem Wahnsinn verfällt. Die Figur, die die 60-Jährige tanzt, ist nicht halb so alt wie sie selbst.

Als die Anfrage kam, wollte Ferri ablehnen, hatte Bedenken: "Zuerst habe ich mit John gesprochen und gesagt: 'John, bist du sicher?' Er sagte 'Ja, natürlich'. Und natürlich traue ich seinem Urteil zu 100 Prozent. Dann musste ich zurück nach Hause  gehen und meine Zweifel und Befürchtungen loswerden und Kontakt zu meinem Herzen aufnehmen. Und mein Herz sagte: Ja!"

Lebenserfahrung ermöglicht mehr Facetten

Die Tänzerin Alessandra Ferri mit Rosen. © Holger Badekow Foto: Holger Badekow
Mit 45 Jahren nahm sich Alessandra Ferri eine Auszeit vom Tanzen, um mehr Zeit für ihre Familie zu haben. Mit 60 Jahren ist sie wieder voll im Geschäft.

Es war ein Debüt für die 60-Jährige: Zum ersten Mal schlüpft sie in diese Rolle. Gut sei es, dafür so viel Lebenserfahrung zu haben, wie sie: "Ich sehe sehr viel mehr und habe eine tiefe Verbindung zu verschiedenen Teilen von Weiblichkeit. Ich kann den Rollen jetzt mehr Facetten geben, als in der Zeit, als ich jünger war", findet Ferri.

Ferri: Behandle Körper wie einen Rennwagen

Am Durchschnittsalter aktiver Tänzer und Tänzerinnen gemessen, sei Alessandra Ferri eine Art Methusalem, schrieb "Der Spiegel" kürzlich. Über dem Artikel ein sensationelles Foto, auf dem die Primaballerina wie 35 aussieht - höchstens. Beim Gespräch in der Mittagspause im Ballettzentrum hat die Tänzerin schon eine Stunde Pilates und das Vormittagstraining hinter sich. Dazu kommen Muskeltraining, Physiotherapie, später die Proben:

"Ich behandle meinen Körper wie einen Rennwagen, wie einen Formel 1-Rennwagen: Ich habe ein Team von Leuten, die mir helfen, helfen mein Instrument fit zu halten", berichtet Alessandra Ferri.

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Die Tänzerin Florencia Chinellato (M, als Julia) springt am 10.04.2013 in der Staatsoper Hamburg bei einer Fotoprobe des Stücks "Romeo und Julia" auf der Bühne. © picture alliance / dpa | Sven Hoppe Foto: Sven Hoppe

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Zart und kraftvoll zugleich wirkt sie, gelassen, humorvoll, lacht viel und sagt trotzdem, ihr Tanzen sei harte Arbeit. Morgens aufstehen und einfach umherspringen - das funktioniert nicht: "Es ist wie bei einem Musiker, einem Pianisten - wenn er nicht übt, kann er nicht spielen."

Auszeit mit 45 Jahren

Alessandra Ferri hat große Rollen getanzt. 2007 brauchte sie eine Auszeit, erzählt sie - hatte das Ballett-Repertoire rauf und runter hinter sich. Damals war sie 45 Jahre alt. Es sei nicht leicht, in diesem Alter noch die großen klassischen Rollen zu tanzen. Ihre beiden Töchter waren klein, sie wollte nicht mehr so viel reisen. "Ich hatte das Gefühl, es ist Zeit 'Stop' zu sagen, ich brauchte eine Auszeit", erklärt Ferri.

Persönliche Erfahrung nun wichtiger als Karriere

Ballettweltstar Alessandra Ferri © NDR
Alessandra Ferri tanzt auch mit 60 Jahren auf der großen Bühne. Ihre Lebenserfahrung helfe ihr, verschiedene Facetten ihrer Rollen zu zeigen.

Nach sechs Jahren kam sie wieder, wollte kleine Stücke machen, mehr Theater. Dann wurden ihr doch große Rollen angeboten, die sie annahm. Der Unterschied: Es ging nicht mehr um Karriere, sondern um ihre ganz eigene, persönliche Erfahrung. Wer sie engagieren wollte, bekam eine Frau mit Vergangenheit, sagt sie:

"Ich verstecke mein Alter nicht. Ich bin glücklich zu zeigen, dass Tanz tausend Geschichten erzählen kann: die Geschichte eines jungen verliebten Mädchens. Wenn du hart an deinem Körper arbeitest, ist das fantastisch, dann kannst du Leben auf die Bühne bringen", sagt die Ausnahmetänzerin.

60-Jährige tanzt ausgesuchte Projekte

Natürlich sei sie nicht mehr so viel unterwegs wie junge Tänzerinnen, ihre Probenzeit ist länger. Ferri sucht sich nur noch einige Projekte im Jahr aus, unterrichtet manchmal. Wenn sie nicht tanzt, verbringt sie Zeit mit ihren Töchtern und geht spazieren: "Ich habe einen wundervollen Hund, einen großen Hund. Einen irischen Wolfshund, es ist der größte Hund der Welt. Wie ein kleines Pferd, 75 Kilo - sehr süß", erzählt Ferri und lacht.

Für die Zukunft plant Alessandra Ferri nicht. Sie könnte sich vorstellen, eine Compagnie zu leiten - wenn beide zueinander passen. Solange hält sie sich bereit für Projekte, die die Zukunft eben bringt: "Wenn deine Seele deinen Geist kontrolliert, übernimmt dein Geist die Kontrolle über deinen Körper - und dann können Wunder passieren."

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Ferri tanzt in John Neumeiers Ballett "Nijinsky" die Romola. Ihren Körper behandle sie wie einen Rennwagen.

Art:
Bühne
Datum:
Ende:
Ort:
Staatsoper Hamburg
Dammtorstraße 28
20354 Hamburg
Preis:
13 - 119 Euro
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Dieses Thema im Programm:

NDR 90,3 | Kulturjournal | 26.06.2023 | 19:00 Uhr

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