"Die Besessenen" am Thalia Theater: Spiel mit dem Feuer
Im Hamburger Thalia Theater haben am Mittwoch die Lessingtage begonnen. Zum Auftakt hat Jette Steckel "Die Besessenen" von Albert Camus inszeniert - als organisiertes Chaos, das jederzeit in die Luft gehen könnte.
Mit einem gehauchten Adieu geht Barbara Nüsse von der Bühne - einen Sitzwürfel in der Hand, direkt vorbei an der ersten Reihe. Irgendwie klingt dieses Adieu wie "Gott ist tot" - Gott geht von seiner eigenen Bühne ab. Mit dieser Szene endet der Abend.
Auf der Bühne ist in den zweieinhalb Stunden zuvor eine Menge los - ein lauter, streitsüchtiger, hasserfüllter, sehnsüchtiger, selbstmörderischer Debattierclub. Barbara Nüsse spielt Stepan Trofimowitsch, einen Gelehrten, der der intellektuellen Welt der Großstadt entflohen ist, um in einem Provinznest langsam vergessen zu werden. Um sich geschart hat er seine Schüler und Schülerinnen, und die streiten sich wie verrückt über die eine Frage:
"Um die Wahrheit wahrscheinlicher zu machen, muss sie immer mit Lüge vermengt werden. Die Menschen haben immer so gehandelt." Zitat aus "Die Besessenen"
Bühnenbild ins Stück integriert
Regisseurin Jette Steckel verlegt Albert Camus' Theaterfassung von Dostojewskis Roman "Die Dämonen" in einen riesigen Bühnenwürfel, den man nur aus dem Zuschauerraum betreten kann. Innen sieht man einen Mönch in einem Aufzug stehen, wie er an einem meterhohen Wandgemälde malt. Zu sehen ist ein bekanntes Bild des mittelalterlichen Malers Hieronymus Bosch, eine einzige Höllenfahrt mit gruseligen Viechern, die nackte Menschen verspeisen. Die Handlung auf der Bühne verschmilzt mit dem Bild. Fabelhaft!
Eine revolutionäre Bande
Im Stück gibt es zwei Gegenspieler: Pjotr (Sebastian Zimmler), der ungeliebten Sohn des Gelehrten und ein genialer Verführer, und Nikolai Stawrogin (Jirka Zett), ein Sinnsucher mit leerem Blick. Pjotr will Nikolai auf seine Seite ziehen, will ihn zum Anführer einer brutalen revolutionären Bande machen.
Pjotr: "Sie elendes verhurtes Herrensöhnchen. Betteln Sie um eine Kugel in den Kopf?
Nikolai: "Wenn Sie nicht so ein verdammter Narr wären, würde ich jetzt wahrscheinlich sagen: Ja. Aber Sie sind so ein verdammter Narr."
Dialog aus "Die Besessenen"
Ein Mord soll die Gruppe zusammenschweißen. Ein Wimmelbild aus angehenden Terroristen und Verrätern. Irre, wie schnell das Ensemble spielt, wie fix es denkt und in die Rollen schlüpft. Jette Steckel inszeniert ein organisiertes Chaos, dem nur die Zündkapsel fehlt. Das beklemmende Gefühl: Dieser lose Haufen könnte sich in jeder Sekunde radikalisieren. Damit fängt der Abend ein Gefühl ein, das sehr aktuell ist. Wo ist der Kipppunkt? Welche Waffe ist die entscheidende? Welcher Tropfen der letzte?
Die Lessingtage am Hamburger Thalia Theater gehen noch bis 12. Februar. Viele internationale Theaterschaffende kommen nach Hamburg. Unter anderem hat das Kiewer Contemporary Arts Center Dakh mehrere Gastspiele. Der italienische Regisseur Romeo Castellucci zeigt mit "Bros" ein Stück über Polizeigewalt. Und der New Yorker Künstler Taylor Mac hat mit "A 24-decade History of Popular Music" speziell für Hamburg einen Abend aus lauter Songs geschaffen, mit denen er die Geschichte der USA erzählt.
"Die Besessenen" am Thalia Theater: Spiel mit dem Feuer
Regisseurin Jette Steckel inszeniert das Stück von Albert Camus als organisiertes Chaos, das jederzeit in die Luft gehen kann.
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Thalia Theater
Alstertor
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