"Zur halben Nacht": Eine herzwärmende Weihnachts-Fabel
Seit einigen Jahren erscheint in der edition chrismon pünktlich vor Weihnachten eine neue Weihnachtsgeschichte. In diesem Jahr stammt sie von der in Hamburg lebenden Susanne Niemeyer.
Meiner Meinung nach muss eine Weihnachtsgeschichte zwingend von einem Weihnachtswunder erzählen, sonst können wir es auch lassen. Denn gegen den ganzen Zinnober, der um dieses Fest gemacht wird, brauchen wir spezielle Widerstandkräfte.
Auf Wanderschaft mit Caspar, Melchior und Balthasar
Bei Susanne Niemeyer lernen wir als Hauptfigur eine Frau kennen, die es gerade nicht leicht hat im Leben - sie ist kurz vor den Feiertagen von ihrer großen Liebe verlassen worden.
Sie schüttet Cornflakes in die Schüssel. Sogar die Knusperflakes machen auf Weihnachten: "Joy of Winter. Jetzt mit einem Hauch Zimt." Alice nimmt den Löffel und verzieht das Gesicht. Nie hält dieses Fest, was es verspricht. Alles ist eine Nummer zu groß: die ganze Sehnsucht genauso wie der Topf mit dem Rotkohl und der aufgeblasene Weihnachtsmann, der am Nachbarhaus hängt wie ein Einbrecher, dem die Puste ausging. Leseprobe
Alice liest eine Anzeige:
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Also sagt sie ihrer Familie in diesem Jahr zum Weihnachtsfest ab und schließt sich einem seltsamen Trio an, das sich Caspar, Melchior und Balthasar nennt. Sie wandern ohne jeden Plan und offenkundig auch ohne Orientierung los.
Liebenswürdig konstruiertes Rondo
Parallel zu ihren Abenteuern lernen wir den Gastwirt Jockel kennen, der zum ersten Mal an Heiligabend nicht in seiner Kneipe stehen wird, um die zu bedienen, die sonst nirgends hinkönnen oder es zuhause nicht aushalten. Seine Kneipe ist geschlossen. In einem ebenso unglaublichen wie liebenswürdig konstruierten Rondo bewegen sie sich aufeinander zu: Die vier Menschen, die auf Wanderschaft sind, und der Wirt, der eigentlich nicht ohne seine wirkliche Lebensaufgabe, ohne seine Gäste, sein kann an diesem Heiligen Abend. Wir dürfen mitträumen, dass zu Weihnachten Liebe und Frieden herrschen werden. Selbst der Wolf weiß, wie er sich heute zu benehmen hat:
Die Schafe haben ihn noch nicht bemerkt. Die hellsten sind sie wirklich nicht, denkt der Wolf. Aber weich sind sie. So weich. Eigentlich hat er gar keinen Hunger. Eigentlich will er nur kuscheln. Aber das glaubt ihm ja doch wieder keiner. Leseprobe
Träumen wird man ja wohl dürfen
Eine herzwärmende Fabel, entsponnen entlang solcher Fragen wie dieser: Was wäre denn, wenn Krieg-führende Diktatoren zu Weihnachten begreifen würden, dass sie eigentlich lieber gemütlich mit ihrer Familie zusammen wären, mit ihren Kindern und Enkeln, die nichts mehr mit ihnen zu tun haben wollen wegen ihrer finsteren Machenschaften? Also stellen sie die Grausamkeiten einfach ein. Träumen wird man ja wohl dürfen, und zu Weihnachten ist es geradezu Pflicht.
Zur halben Nacht
- Seitenzahl:
- 96 Seiten
- Genre:
- Roman
- Zusatzinfo:
- Verlag:
- edition chrismon
- Bestellnummer:
- 978-3-96038-365-9
- Preis:
- 15 €