"Wasserzeiten": Kristine Bilkau schreibt über das Schwimmen
Die Hamburger Autorin hat ihrer großen Leidenschaft, dem Schwimmen, einen Essayband gewidmet. Gern schwimmt man ein Stück mit dieser grundehrlichen Autorin mit und beginnt, sich seine eigenen Gedanken zu machen.
Sommer 2022, dänische Ostseeküste. Kristine Bilkau wird von einem Badesteg magisch angezogen und gleitet ins Wasser:
Ich schwamm in dieses milchige Grau hinein, für einen Moment öffnete sich alles, anders lässt es sich nicht beschreiben, ich war ganz und gar hier. Der Elementenwechsel war so deutlich spürbar, das Wasser nahm mich auf, ich war leicht und fühlte mich auf besondere, beglückende Weise mit der Umgebung verbunden. Leseprobe
Wasser spielte in Kristine Bilkaus Familie schon immer eine wichtige Rolle. Mutter und Großmutter sind an der Nordsee aufgewachsen, der Vater war oft mit ihr Schwimmen - hat es ihr auch beigebracht. "Das hat dann so ein Selbstverständnis gehabt, dass ich da nie drüber nachgedacht habe", erinnert sich Bilkau. "Richtig durchdacht habe ich das erst während der Jahre der Pandemie, vor allem in dem ersten Jahr 2020, als das plötzlich alles weg war, als das Schwimmen nicht mehr verfügbar war."
Erinnerungen an besondere Schwimmmomente
Was bedeutet mir das Schwimmen? Was macht es mit mir? Die Fragen haben sich ins Papier eingeschrieben - und die Idee für den schmalen Band war geboren. Kristine Bilkau trägt darin Erinnerungen an besondere Schwimmmomente zusammen, verweist auf gelesene Kurzgeschichten zum Thema, zitiert Gedichte, zählt Sehnsuchtsorte auf, streut ein paar Fakten ein. Zum Beispiel, wenn sie gedanklich zu den Hampstead Heath Ponds nach London reist: natürliche Badeseen - einer für Männer, einer für Frauen und ein gemischter Teich. Was wir dabei erfahren? "Dass im 19. Jahrhundert Frauen gar nicht schwimmen sollten, das war gar nicht vorgesehen", so Bilkau. "Die konnten sich vielleicht in den Badeorten so ein bisschen im Wasser bewegen, mussten aber sehr aufwendige Kleidung tragen. Und dann gab es so eine Art Schwimm-Revolution. Die nannten sich dann auch selber die "schwimmenden Suffragetten". Das war sehr eng mit dem Kampf um das Wahlrecht der Frauen verwoben."
Vor allem aber spürt Kristine Bilkau in ihrem Essayband diesem Gefühl nach, welches das Schwimmen auslösen kann, der Magie des Wassers - ausgehend von einem Zitat des Schriftstellers D.H. Lawrence:
Wasser ist H2O, zwei Teile Wasserstoff, ein Teil Sauerstoff. Aber da ist noch etwas Drittes, das erst macht es zu Wasser, und niemand weiß, was dieses Etwas ist. Leseprobe
"Im Kern kann man es runterbrechen auf diese Glücksformel oder diesen Glücksmoment, wenn man irgendwo schwimmt", sagt Bilkau. "Ich habe das genannt, dass der Körper, die Gedanken, die Zeit und der Ort, dass das alles für diesen Zeitpunkt verbunden ist, dass man ganz und gar jetzt an diesem Ort ist und das spüren kann. Ich glaube, das ist etwas, was nicht so häufig passiert, gerade im Alltag ist es oft schwer, die Gedanken so komplett abzuschalten."
"Wasserzeiten": Persönlicher Text einer grundehrlichen Autorin
Manche Passagen in diesem Band wirken etwas zufällig aneinandergereiht, sind teils redundant. "Wasserzeiten" ist kein literarisches Meisterwerk. Und doch ist es schön, sich hineinziehen zu lassen in diesen persönlichen Text. Gern schwimmt man ein Stück mit dieser grundehrlichen Autorin mit, beginnt, sich seine eigenen Gedanken zu machen, und folgt damit dem Wunsch von Kristine Bilkau: "Mir war es wichtig, dass wenn man dieses Buch liest, da ganz viel Raum für die eigenen Antworten sein soll."
Und vor dem nächsten Ausflug - der eigentlich gar nicht mit Schwimmen verbunden sein soll - ertappt sich die Leserin, wie sie noch schnell einen Badeanzug und ein Handtuch einpackt. Wer weiß, wo der nächste magische Badesteg wartet.
Wasserzeiten
- Seitenzahl:
- 128 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- Arche
- Bestellnummer:
- 978-3-7160-2819-3
- Preis:
- 16 €