Übers Schwimmen in der Literatur und schwimmende Literaten
Die Sommerferien im Norden stehen in den Startlöchern und viele Menschen wählen gerade ihre Strandlektüre aus. Dazu passt die Frage: Seit wann gehen Autorinnen und Autoren baden? Eine literarische Spurensuche.
Die bräunlichen Figuren scheinen zu schweben: Die Arme weit nach vorne, die Beine lang nach hinten gestreckt. 4.000 Jahre alt sind die Zeichnungen in einer Höhle im südwestlichen Ägypten - und damit die ältesten bildlichen Darstellungen von schwimmenden Menschen überhaupt. 1933 entdeckte der ungarische Forscher Lászlo Almásy die sogenannte "Höhle der Schwimmer". Ihm hat der Schriftsteller Michael Ondaatje mit seinem Roman "Der englische Patient" ein literarisches Denkmal gesetzt.
"Ich lief noch ins Wasser": Goethe schwamm täglich
Die meisten Säugetiere können instinktiv schwimmen. Der Mensch muss es erst lernen. Wer schwimmen kann, hat Vorteile: Man kann jagen, sich vor Feinden retten oder Hindernisse überwinden. Oder schwimmt der Mensch etwa aus purem Vergnügen?
Viele Dichter und Denker schwammen täglich. Johann Wolfgang von Goethe zum Beispiel. Ihm wird nachgesagt, dass er, so oft es ging, in die Ilm bei Weimar sprang. Selbst im Winter oder nachts. Am 2. Juli 1776 schrieb er: "Nachts halb elf, der Mondschein war so göttlich, ich lief noch ins Wasser. Auf der Wiese und Mond." Seine Schwimmerlebnisse flossen auch in seine Dichtung ein, unter anderem in den "Faust" und "Wilhelm Meisters Lehrjahre".
Lord Byron durchquerte die Dardanellen
Wann der britische Dichter Lord Byron Schwimmen lernte, ist nicht überliefert. Wohl aber, dass er als erster Schwimmer am 3. Mai 1810 die Dardanellen durchquerte. In einer Stunde und 10 Minuten schwamm Byron von Europa nach Asien. Einfach weil er es konnte. Auch Alexander Puschkin, Jack London und Tennessee Williams waren begeisterte Schwimmer.
Was auffällt: Lange Zeit schwammen ausschließlich Männer. Die Frauen blieben vermutlich sittsam, hochgeschlossen am Strand sitzen. Zum Glück haben sich die Zeiten geändert. Und so schwimmen Frauen jetzt und schreiben auch übers Schwimmen. Wie die Hamburger Autorin Kristine Bilkau. In ihrem Buch „Wasserzeichen“ beschreibt sie das Glück, das sie beim Schwimmen empfindet. "Man kann seinen Körper sogar für eine Weile ganz vergessen", so die Autorin. "Diese regelmäßigen Schwimmbewegungen passieren ganz von alleine und man schwebt oder fliegt. Gleichzeitig ist man ganz eng mit diesem Element verbunden."
Schwimmen als Wurmloch zur Alltagsflucht
Die Amerikanerin Bonnie Tsui formuliert es in ihrem essayistischen Buch "Warum wir schwimmen" etwas anders: "Manchmal ist Schwimmen ein Wurmloch, durch das man der ermüdenden Maschinerie des Alltags entfliehen kann."
Schwimmen hat heute viele Facetten: Es ist körperliche Ertüchtigung, meditativer Ausgleich und besitzt sogar eine Lifestyle-Komponente. Ein Freibad bildet nämlich einen ganz besonderen Mikrokosmos. Davon erzählt Arno Frank in seinem Buch "Seemann vom Siebener". Wobei der titelgebende Seemann eine Art Kopfsprung ist.
Der Seemann ist der schönste aller Sprünge, weil er so schlicht wirkt. Keinerlei Bemühungen, die Sekunden des Sturzes mit Artistik zu füllen, kein Salto, keine Schraube, nicht einmal eine Arschbombe, für die man immerhin die Beine anziehen muss. Zitat aus: "Seemann vom Siebener" von Arno Frank
Caroline Wahl, Stephan Lohse, Dennis Gastmann schreiben übers Schwimmen
Das Schwimmen spielt auch in anderen aktuellen Büchern eine große Rolle: Zum Beispiel in "22 Bahnen" von Caroline Wahl, "Das Summen unter der Haut" von Stephan Lohse (erscheint demnächst) und in "Dalee" von Dennis Gastmann schwimmen sogar Elefanten im Pazifik. Schwimmen in der Literatur und schwimmende Literaten: In diesem Sommer ist das ein klarer Trend, aber ganz sicher kein neuer.