von Tobias Wenzel

Katharina Hacker, die für den Roman "Die Habenichtse" 2006 den Deutschen Buchpreis erhalten hatte, hat nun eine neue, eine kurze Form gefunden, die offensichtlich bei den Lesern ankommt. "Minutenessays" nennt Katharina Hacker ihre kurzen, aus Notizen hervorgegangenen Texte. Nun erscheint mit "Über Leben mit Tier" das zweite Buch in dieser Form.

Katharina Hacker: "Ich bin überzeugt davon, dass Tiere höflich behandelt werden möchten"

Im Leben

Wie stolz der Mensch darauf ist, ein trauriges
Geheimnis zu haben: seinen Tod.
Die Tiere sterben im Leben. Leseprobe

Manchmal sind Katharina Hackers Texte über Tiere sentenzhaft knapp, nie aber länger als eine Buchseite. Die Autorin lebt zeitweise in Brandenburg auf dem Land mit Schafen, Pferd, Hunden, Katzen, Meerschweinchen und Kaninchen. Da ist es ganz natürlich, dass Tiere nun auch ihr Schreiben bevölkern. "Ich finde es ausgesprochen fruchtbar, über Tiere nachzudenken", so Hacker. "Indem man über Tiere nachdenkt, denkt man, finde ich, vor allem darüber nach, was Leben und Lebendigkeit für einen bedeutet."

Und auch: die Endlichkeit. Wenn sie zu alt ist, um noch mit Hunden spazieren gehen zu können, verrät die Autorin in "Über Leben mit Tier", möchte sie sich im Haus eine Ratte halten. Für Katharina Hacker ist es kaum vorstellbar, vollkommen ohne Tiere zu sein. "Ein ganzes Leben bedeuten sie mir", schreibt sie. Aber Liebe sei das in ihrem Fall nicht: "Vor allem finde ich es so wichtig, dass es den Tieren komplett gleichgültig ist, ob ich sie liebe oder nicht. Ich bin überzeugt davon, dass Tiere gerne höflich behandelt werden möchten. Und sie möchten ein gutes, möglichst glückliches Leben führen. Das heißt, das Wetter kann gar nicht so schlimm sein, dass ich nicht trotzdem mit den beiden Hunden rausgehe. Daran liegt denen. Ob ich die dabei liebe oder nicht, ist für die ja irrelevant."

Katharina Hacker gibt Anregungen zum Weiterdenken

Es ist eine große Freude, Katharina Hackers unprätentiöse, aber formschöne Kurztexte über Tiere und das Tier Mensch zu lesen. Man verlässt dieses Buch reicher und leichter. Das hat viel mit der Offenheit der Autorin zu tun. Sie gibt Denkanstöße, schreibt Worte als Angebote an den Leser, sie weiterzuspinnen oder ihnen auch zu widersprechen. Hacker probiert sich nämlich vor unseren Augen aus, ganz in der ursprünglichen Bedeutung des Wortes "Essay". "Oft stelle ich irgendwelche Behauptungen auf, aber immer, um dann festzustellen, dass ich doch nicht sicher bin oder dass es vielleicht kompletter Quatsch war", sagt die Autorin. "Und Sprache, finde ich, ist dafür da, um in unseren Gedanken und Empfindungen wieder Raum und Luft zu schaffen."

"Über Leben mit Tier" macht Lust aufs Leben

Luftig sind auch die Seiten in diesem Buch bedruckt, damit die Leser genug Platz für eigene Notizen haben. Das schmale Leinenbändchen wiederum ist bewusst biegsam hergestellt; so lässt es sich gut in die Tasche stecken und bei Spaziergängen hervorholen. Eine wunderbare Idee. So können wir auch unterwegs in Hackers Reich der Tiere eintauchen und lesen, wie eine ihrer Katzen so fordernd miaut, als würde sie unfreundlich ein Taxi rufen. Wie sich während des Ukraine-Kriegs Menschen nicht in Sicherheit bringen, weil sie nicht wissen, wohin mit ihren Tieren. Wie die Autorin sich daran erinnert, wie sie als Kind ihre schwer verletzte Schildkröte bis ins Büro des Frankfurter Zoodirektors Bernhard Grzimek trug und der nur noch ihren baldigen Tod voraussagen konnte. Was überhaupt die Beziehung von Mensch und Tier ausmacht:

Nah

Was wir in Tiere hineininterpretieren, geht ja auf
keine Kuhhaut.
Aber mit Menschen verhält es sich nicht anders,
auch auf deren Gegenrede warten wir selten.
Warum fragen wir immer nach Nähe, warum nicht
danach, wer unseren Blick erwidert? Leseprobe

Dieses Buch macht nachdenklich und zugleich Lust aufs Leben, ganz egal, ob man selbst Tiere hat oder nicht.

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