Buch-Cover: Rin Usami - Idol in Flammen © KiWi Verlag

Roman "Idol in Flammen": Die Gnadenlosigkeit der Popindustrie

Stand: 21.06.2023 06:00 Uhr

Die japanische Autorin Rin Usami erzählt in "Idol in Flammen" von einem Fan, der alles für sein Idol tun würde. Ein Roman, der auf wenigen Seiten viel Tiefe und Substanz herstellt.

von Katja Eßbach

Akaris Lebensinhalt ist ein Mensch, den sie nicht persönlich kennt, über den sie aber so gut wie alles zu wissen glaubt: Masaki, Mitglied einer J-Pop-Gruppe, ist ihr Idol. Akari ordnet ihrem Dasein als Superfan alles unter. Dann werden schwere Vorwürfe gegen Masaki publik:

Mein Idol steht in Flammen. Er soll einen Fan geschlagen haben. Noch ist kein einziges Detail bekannt. Und obwohl noch nichts bekannt ist, ist das Netz über Nacht zu einem Fegefeuer geworden. (...) Nachdem ich die Nachrichten gecheckt habe, kann ich mich nur noch auf mein Bett kauern (...) und zusehen, wie sich die Posts vervielfältigen und die Flammen um sich greifen, wobei mich nur eins interessiert: Wie geht es meinem Idol?

Rin Usami zieht uns hinein in eine befremdliche Welt

Rin Usami wird als Shootingstar der japanischen Literatur bezeichnet. Mit ihrem gerade mal 120 Seiten schmalen Roman zeigt sie, warum das so ist. Usami schreibt gleichermaßen nüchtern wie eindringlich, ihre Erzählung aus der Ich-Perspektive entwickelt einen verblüffenden Sog. Sie zieht uns hinein in eine fremde und befremdliche Welt. Die Protagonistin Akari ist eine labile junge Frau. Ihr Zugang zur Welt ist zögerlich, ihr Leben wirkt seltsam kraftlos:

Ganz alltägliche Aufgaben, die andere mit links bewältigen, fallen mir schwer, und ich mache mir ständig Sorgen um die Spuren, die meine Fehler hinterlassen. Aber eins weiß ich absolut sicher: Masakis Fan zu sein, ist das Zentrum meines Lebens, die eine Konstante. Mein Idol ist meine Körpermitte, meine Wirbelsäule.

In der Schule tut sich Akari schwer, in ihrem Nebenjob, den sie hat, um ihr Fanleben zu finanzieren, tut sie nur das Nötigste. Und dann der Skandal um Masaki. Akari wird, falls das überhaupt geht, noch fanatischer und springt ihrem Idol auch im Internet zur Seite:

Ich finde es nicht richtig, nur verheiratet zu sein, wenn es gerade gut läuft, und so halte ich es auch mit meinem Dasein als Fan, also tippe ich: "Mein Idol bleibt mein Idol, in guten wie in schlechten Zeiten." Die Bahn hält an, und das Zirpen der Zikaden wird lauter. Ich drücke auf Teilen.

Die Musikindustrie als gnadenlose Marketing-Maschinerie

Rin Usami erzählt von einer jungen Frau, die ihren Platz im Leben noch nicht gefunden hat, aber auch nicht wirklich nach ihm sucht. Sie wirkt haltlos und unverstanden, auch ihre Familie ist ihr keine Stütze. Aber "Idol in Flammen" wirft auch ein grelles Licht auf die Musikindustrie, die die Liebe der Fans zu ihren Idolen gnadenlos zu vermarkten weiß.

Akaris Geschichte wird über den Zeitraum von ungefähr anderthalb Jahren erzählt, der Shitstorm gegen ihr Idol Masaki legt sich, aber dann wird sie von einer überraschenden Nachricht komplett aus der Bahn geworfen. Es ist ein literarisches Kunststück, wie Rin Usami auf so wenigen Seiten so viel Tiefe und Substanz herzustellen vermag. Völlig zu Recht hat die Autorin dafür renommierte Preise eingeheimst.

Idol in Flammen

von Rin Usami
Seitenzahl:
128 Seiten
Genre:
Roman
Zusatzinfo:
Aus dem Japanischen von Luise Steggewentz
Verlag:
Kiepenheuer & Witsch
Bestellnummer:
978-3-462-00302-4
Preis:
18 €

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Neue Bücher | 21.06.2023 | 12:40 Uhr

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